Etappe 1: Freiburg
Die Corona-Pandemie hat Großveranstaltungen in den vergangenen 18 Monaten schwierig bis unmöglich gemacht. Aber den Kopf in den Sand zu stecken ist nicht unsere Art, schließlich sind positive Ziele und eine lösungsorientierte Herangehensweise fest in unserer DNA verankert! Unsere größte Veranstaltung in diesem Jahr ausfallen zu lassen, kam daher nicht in Frage. Also findet der 7. Internationale Cradle to Cradle Congress 2021 als hybrides Event statt: Mit drei Etappen in drei Städten, vor Ort und digital. Und der Tenor der Teilnehmenden und Speaker*innen beim Auftakt in Freiburg am 14. Juli 2021 war eindeutig: Schön, dass wir uns endlich mal wieder sehen und austauschen können!
Unter dem Leitthema “Urban Future” diskutieren wir beim C2CC21, wie wir als Gesellschaft künftig leben wollen und welche Rolle Cradle to Cradle in der Gestaltung dieser Zukunft einnimmt. Dazu prägen Schwerpunktthemen die einzelnen Congress-Etappen. Am 14. Juli diskutierten Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft vor rund 300 Teilnehmenden vor Ort in der Messe Freiburg sowie im digitalen Stream darüber, wie Cradle to Cradle skaliert werden und die Transformation hin zu einer klima- und ressourcenpositiven Wirtschaft und Gesellschaft beschleunigen kann.
“Wir müssen als Gesellschaft die Art und Weise wie wir produzieren und konsumieren komplett überdenken und zu einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft kommen, die beim Produktdesign beginnt. Cradle to Cradle kann diese Transformation vorantreiben. Wir haben heute von den Vertreter*innen aus der Politik und von Wirtschaftsverbänden gehört, dass es sich bei Ihnen fest eingeprägt hat, dass zirkuläre Innovationen ein guter und konkreter Weg nach vorne sind”, sagte Nora in Freiburg. Tim ergänzte: “Wir haben heute außerdem viele Best Practices aus Unternehmen gesehen, die Cradle to Cradle bereits umsetzen. Davon brauchen wir noch viel mehr! Wir freuen uns nach dem gelungenen Auftakt in Freiburg darauf, bei unseren kommenden Congress-Etappen im September und November viele weitere Beispiele dafür zu zeigen.”
Svenja Schulze: Notwendige Transformation ist eine Chance
“Gemeinsam verfolgen wir das Ziel, eine Wirtschaft zu stärken, die sich an der Idee des Kreislaufs orientiert. Wirtschaftliche Prozesse sollen nicht mehr vorwiegend linear verlaufen, sondern in Kreisläufen”, sagte auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze in ihrem Grußwort. Sie übernahm zum zweiten Mal in Folge die Schirmherrschaft unseres Congress. Sie betonte, dass diese Transformation dringend notwendig sei und umgesetzt werden müsse, aber nicht zwangsläufig Verzicht bedeuten müsse. “Sie ist die Chance auf eine umweltgerechtere und auch sozialgerechtere Wirtschaft und Gesellschaft. Und ich weiß, dass diese positive Vision auch die Cradle to Cradle Congresse prägt. Und das finde ich wirklich klasse”, so Schulze.
“Wir können es uns gar nicht mehr erlauben, Rohstoffe zu verschwenden”, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter im Gespräch mit Tim. Auch sie betonte, dass Klima-und Ressourcenkrise zusammenhängen und entsprechend nur gemeinsam gelöst werden können. “Deshalb sind wir jetzt gefragt, wie wir Wirtschaften. Das gilt sowohl für den Klima- als auch für den Ressourcenschutz”, sagte sie.
“Umwelt- und Klimaschutz sind die wichtigsten Themen unserer Zeit”, betonte auch Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn. Wenngleich Freiburg europaweit als eine der grünsten Städte gelte, dürfe sich die Stadt darauf nicht ausruhen und sei immer auf der Suche nach weiteren mutigen Ansätzen, zu denen er auch Cradle to Cradle zähle. Wichtig sei, dass nicht nur weiter über Transformation gesprochen, sondern diese auch auf allen Ebenen umgesetzt werde. “Es ist so viel Wissen vorhanden, aber es fehlt an der konkreten Umsetzung, um mehr Geschwindigkeit, um mehr Mut und an der Stelle an einer realitätsnahem Umsetzung”, so Horn.
Fundamentaler Wandel von Produkten und Produktionsprozessen
Diese Umsetzung stand auch im Mittelpunkt der Diskussion zwischen der Abteilungsleiterin Energie des DIW, Prof. Dr. Claudia Kemfert, dem stellvertretenden Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands BDI, Holger Lösch, dem Professor für Ressourcenstrategien und Gründer der Nachhaltigkeitsberatung SystemiQ, Prof. Dr. Martin Stuchtey, sowie der Grünen Europaabgeordneten Anna Cavazzini, die dem Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz vorsitzt.
Kemfert und Lösch betonten, dass sich die Industrie bewusst sei, dass sie auch im Eigeninteresse von einer linearen zu einer zirkulären Wirtschaft kommen müsse. Noch befänden wir uns beim ersten Schritt, Emissionen zu vermeiden und zu senken, so Kemfert. “Im nächsten Schritt ist dann wichtig, dass man Rohstoffe von der Wiege zurück in die Wiege führt. Und dabei auch Unternehmen verpflichtet, diese Transparenz herzustellen”, sagte sie. Nur so kämen wir auf einen klimapositiven Pfad.
Dieser Pfad könne indes nicht nur durch kleinere Anpassungen erreicht werden, so Lösch. “Es geht um die Veränderung von Produktionsprozessen und Produkten. Wir müssen darüber nachdenken welchen Weg ein Produkt nimmt. Und dieser Weg sollte idealerweise möglichst kreisförmig verlaufen”, sagte er. “Wir werden uns als Industrie auf diesem notwendigen Weg mit vielen Zielkonflikten beschäftigt müssen, aber da müssen wir durch”, fügte er hinzu.
Der langjährige Unternehmens- und Politikberater Martin Stuchtey bezeichnete es als positives Zeichen, dass sich die Industrie angesichts der Größe der Herausforderung mit Ansätzen wie Cradle to Cradle beschäftige und damit zu umfassenden Änderungen bereit sei. “Die Ernsthaftigkeit, mit der das Thema von Politik und auch Industrie aufgegriffen wird: Das hätte man vor einigen Jahren nicht erwartet”, sagte er. Und: “Nun müssen wir die systemischen Voraussetzungen für eine solch fundamentale Transformation schaffen.”
“Es ist gut, dass man auf regionaler Ebene und in Unternehmen schaut, wie man Cradle to Cradle und solche Konzepte umsetzen kann. Dazu braucht es aber auch eine starke europäische Gesetzgebung”, sagte die EU-Politikerin Cavazzini. Der europäische Green Deal sei dafür ein gutes Instrument, stimmten alle vier Panelist*innen überein. Fest stehe auch, dass eine geschlossene Kreislaufwirtschaft die beim Design von Produkten und Prozessen beginne, Kern dieses Gesetzesvorhaben sei. Auch aus diesem Grund bringen wir uns als NGO als offizielle Partnerorganisation beim Projekt New European Bauhaus der EU-Kommission ein.
Vom C2C-Produkt zum innovativen Geschäftsmodell
Über die konkrete Umsetzung von Cradle to Cradle und Circular Economy sprachen im zweiten großen Panel des Tages Thomas Fuhr, Co-CEO des Sanitärprodukteherstellers Grohe AG, Dr. Michael Karrer, Senior Vice President Sustainability & EHS beim Autozulieferer ZF Group, Arnaud Marquis, Group Sustainability Officer des Fußbodenherstellers Tarkett sowie Wilhelm Mauß, Geschäftsführer der Lorenz GmbH & Co, die Wasserzähler produziert.
Alle vier Unternehmen berücksichtigen bereits jetzt C2C in ihrer Wertschöpfung. Grohe hat C2C-zertifizierte Armaturen und Duschköpfe im Portfolio, bei ZF sind es Brems- und Kupplungsteile für Nutzfahrzeuge, bei Lorenz Wasserzähler und bei Tarkett und der Marke Desso unterschiedliche kreislauffähige Bodenbeläge. Alle vier Unternehmen haben konkrete Pläne, ihre Cradle to Cradle-Aktivitäten auszuweiten. “Wir stehen auf unserem C2C-Weg noch ganz am Anfang, aber wir haben begonnen”, so Grohe Co-CEO Fuhr. Das Unternehmen setze sich neben C2C auf Produktebene für branchenweite Rücknahmesysteme für kreislauffähige und vollständig wiederverwertbare Sanitärprodukte ein. Zudem sei bei Grohe eine Logistik für Produkt-Service-Modelle im Sanitärbereich in Arbeit.
Auch ZF will den Weg zu neuen Produkten und Geschäftsmodellen nicht alleine beschreiten. “Wir brauchen Kooperationen entlang unserer gesamten Wertschöpfungskette, um die Herausforderungen der Zukunft anzugehen”, so der Nachhaltigkeitsverantwortliche Karrer. Sich einem ganz neuen Umgang mit Ressourcen zu verweigern, sei dabei keine Option. “Die Autoindustrie befindet sich in einer grundlegenden Transformation. Es geht nicht mehr um die Frage, ob sie kommt, sondern darum, wie wir damit umgehen. Denn, wenn wir das nicht tun, wird das das Ende einiger Geschäftsmodelle bedeuten”, so Karrer. ZF arbeite derzeit an der rückstandslosen Rückgewinnung und Wiederaufbereitung von Kupfer aus Elektromotoren. Auch, um bei diesem immer seltener werdenden Rohstoff auf der sicheren Seite zu sein, da er im Zuge der Elektromobilität immer wichtiger werde.
Arnaud Marquis brachte das Thema Materialgesundheit in die Diskussion mit ein. Denn für Tarkett sei dieser Punkt ein Grund gewesen, das Geschäftsmodell auf Cradle to Cradle umzustellen. “Menschen nutzen unsere Fußböden. Und deswegen möchten wir Fußböden schaffen, die gut für diese Menschen und die Umwelt sind”, so Marquis. Bis 2030 will das Unternehmen 30 Prozent seiner Teppich- und Holzböden aus den zurückgenommenen und recycelten eigenen Produkten herstellen. Heute liege die Quote bei 13 Prozent. So soll der Anteil an Primärressourcen immer weiter sinken.
Tarkett hat neben einem Rücknahmesystem auch eigene Recyclingstätten, in denen die unterschiedlichen Bestandteile von Bodenbelägen rückstandslos voneinander getrennt und zurück in den Produktionsprozess geführt werden. Auch für Wilhelm Mauß ist diese über das einzelne Produkt hinausgehende Transformation von Geschäftsmodellen das eigentliche Ziel, das er auch bei Lorenz verfolge. “Mein liebsten Geschäftsmodell sind Produkte als Service: Wir entwerfen neue Produkte für die Wiederverwertung. Und wir möchten, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus an uns zurück gegeben werden. Wir müssen in Modulen denken, um die Produkte einfach wiederverwertbar zu machen”.
Was Standards und Normen mit Cradle to Cradle zu tun haben und welche Chancen Product as a Service-Geschäftsmodelle haben, könnt Ihr in unserem nächsten Blogeintrag über den C2CC21 nachlesen.
Blog III: Vielfältige Keynotes zur Skalierung von C2C-Lösungen beim C2CC21 in Freiburg
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