Im März war die Hamburger Regionalgruppe bei der Environmental Protection Encouragement Agency (EPEA) eingeladen, um gemeinsam mit Niklas Jonas über die Arbeit des Forschungs- und Beratungsinstitutes zu sprechen. Welche Rolle spielt EPEA mit Blick auf Cradle to Cradle? Wie verlaufen Projekte für gewöhnlich und was sind Überraschungen oder Herausforderungen? Niklas nahm sich viel Zeit, EPEAs Arbeit vorzustellen und unsere Fragen zu beantworten.
Für einige der zahlreichen Interessierten war das Treffen im März der erste Kontakt zu EPEA und auch ein erstes Eintauchen in das Thema C2C-Produktzertifizierung.
Die Environmental Protection Encouragement Agency (EPEA) – wie wir erfuhren namentlich angelehnt an die Umweltschutzbehörde „EPA“ der USA – wurde vor gut 30 Jahren von Prof. Dr. Michael Braungart gegründet und hat sich seither der Umweltforschung und -Beratung verschrieben. Als akkreditierter Assessor für die Cradle to Cradle Certified™ Zertifizierung begleitet EPEA Unternehmen auf dem Weg zum C2C-Zertifikat. Neben EPEA gibt es bisher ein gutes Dutzend anderer solcher Assessoren in Europa, Nord- und Südamerika. Das C2C-Zertifikat selbst wird vom unabhängigen Cradle to Cradle Products Innovation Institute (PII) in Kalifornien vergeben. EPEA ist international aufgestellt und in vielen Ländern mit einer Außenstelle oder Partner*innen vertreten, wovon sich manche auf bestimmte Sektoren (bspw. den Textil- oder Baubereich) spezialisiert haben. Die Zentrale des Unternehmens ist in Hamburg beheimatet.
Ein wichtiger Grundstein von EPEA ist die interdisziplinäre Arbeit: Chemie, Biologie und Umweltwissenschaft sowie Produktoptimierung und Produktentwicklung sind wichtige Fachbereiche die ineinandergreifen und sich ergänzen müssen. Herzstück der Firma ist die seit über 30 Jahren gewachsene Materialdatenbank. Diese umfasst inzwischen eine große Menge an Information über Inhaltsstoffe von Materialien, deren Eigenschaften und ökotoxikologische Bewertungen. Bei der Abschätzung des Gesamtrisikos eines Produktes spielt die tatsächliche Exposition eine wichtige Rolle: Ein Material wird nicht kategorisch als „unbedenklich“ oder „schädlich“ bewertet, sondern wird abhängig vom jeweiligen Nutzungsszenario eingeordnet. Es wird also bspw. beurteilt, ob das Material in Hautkontakt kommt, eingeatmet werden kann oder ob es in die Umwelt gelangt. Gibt es maßgeblichen Abrieb z. B. im Straßenverkehr oder in der Waschmaschine? Oder wird es verbaut und kommt daher nicht in Hautkontakt oder Austausch mit der Umwelt? So kann es dazu kommen, dass dasselbe Material, verwendet in unterschiedlichen Nutzungsszenarien, auch eine unterschiedliche Gefährdungsabschätzung bekommt. Dieses Vorgehen stellt einen maßgeblichen Unterschied zu anderen Bewertungskonzepten zu Gesundheits- und Umweltrisiken dar. Allerdings gibt es auch im Cradle to Cradle-Produktstandard eine Liste an problematischen Chemikalien (sog. „Banned List“), deren Verwendung eine Zertifizierung ausschließt.
„Bestehende Produkte zu optimieren ist oft eine große Herausforderung“, so Niklas, und „nicht selten müsste eigentlich alles neu gedacht werden“. Dabei sei die erste und größte Hürde zunächst einmal, an die Materialinformationen der Produkte zu gelangen. Den Unternehmen werde oft erst in der Zusammenarbeit klar, dass sie relativ wenig über die Materialien und die Inhaltsstoffe in ihren Produkten wissen. Lange Zuliefererketten machen es nicht selten langwierig und mühsam, an diese Informationen zu gelangen. „Diesen Aufwand unterschätzen viele Kunden bei Projektstart“, meint Niklas.
EPEA agiert dabei als eine Art „Wissenstreuhänder“ oder Mittelsmann für die Materialbewertung. Dank Geheimhaltungsvereinbarungen können Informationen über Materialien und Inhaltsstoffe von den Zulieferern und Chemikalienherstellenden eingeholt und somit später analysiert und bewertet werden. So bleiben die Informationen geschützt und die Kund*innen selbst erhalten eine Bewertung der verwendeten Materialien, die zur Überraschung mancher Unternehmen auch schlechter als erwartet ausfallen kann.
Ein weiteres Gesprächsthema an diesem Abend drehte sich um Vernetzung und Wissensaustausch. Da der Vernetzungsauftrag ein wichtiger Pfeiler unserer Organisation ist, war es für uns interessant zu erfahren, wie ein C2C-Beratungsunternehmen diese Thematik sieht. Dazu meinte Niklas, es sei sehr wichtig, Firmen miteinander in Kontakt zu bringen, die im Bereich C2C bereits erste Schritte gegangen sind oder gehen möchten. Dabei stehe EPEA grundsätzlich einer Open-Source-Kultur offen gegenüber, um das C2C Designkonzept weiter zu verbreiten. Bislang scheitert dies vor allem daran, dass Unternehmen selten ihre „Rezepte“ bzw. Geschäftsgeheimnisse preisgeben möchten und Innovationen aus Wettbewerbsgründen nicht offen geteilt werden. Wenn Unternehmen stärker kooperieren, könnte ein Umdenken stattfinden. Im Bereich Bau (built positive), Papier (healthy printing initiative) und Textil (fashion positive) ist eine Vernetzung bereits in ersten Schritten gelungen.
Unsere Organisation und dessen Aktivitäten sieht Niklas als wichtigen Beitrag zur Umsetzung von C2C. Wir haben die Chance zur Einflussnahme auf verschiedensten Ebenen, um notwendige Rahmenbedingungen und (De-)Regulierung voranzutreiben. So müssten bspw. dringlichst neue Technologien für Recycling- und Kompostieranlagen entwickelt werden, damit zum Beispiel Bioplastik oder Baumwolltextilien nach Ihrer Nutzung optimal recycelt bzw. kompostiert werden können.
Am Ende ist uns allen klar, nur gemeinsam und aus unterschiedlichen Richtungen können wir die Wende hin zu einer C2C-Welt schaffen.
Kathrin Lenz & Jessica Weber, Regionalgruppe Hamburg