Der 9. Internationale Cradle to Cradle Congress 2025 bot mit seinen 12 parallelen Foren eine breite Plattform für den Austausch rund um Cradle to Cradle (C2C) und Circular Economy. Expert*innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kommunen und Medien beleuchteten in den Sessions vielfältige Anwendungsbereiche und Herausforderungen auf dem Weg zu einer konsequent zirkulären Wirtschaftsweise. Von der kommunalen Ebene über Finanzierungsmodelle und Produktdesign bis hin zu Hightech-Anwendungen und der Agrarwirtschaft wurden sowohl Lösungsansätze als auch die Notwendigkeit gemeinsamer Anstrengungen und neuer Denkweisen aufgezeigt.
C2C auf kommunaler Ebene: Mit Reallaboren die Transformation voranbringen
Im Fokus der Hauptbühne stand die Umsetzung von C2C auf kommunaler Ebene. Das Panel bot einen Einblick in die Arbeit der 23 Mitgliedskommunen des Netzwerks C2C Regionen von C2C NGO. Als Erfolgsbeispiele wurden Projekte wie der Neubau des Feuerwehrhauses in Straubenhardt und die Sanierung von Wohnhäusern zu energieeffizienten, fairen Mietwohnungen vorgestellt. Lisa Niederhaus von der Landesgartenschau gGmbH präsentierte die Pläne für die Landesgartenschau 2027, die unter dem C2C-Leitbild als Blaupause für zirkuläre Wertschöpfung geplant wird. Bernd Tischler, Oberbürgermeister von Bottrop, erläuterte den Transformationsprozess seiner Stadt hin zur Kreislaufwirtschaft mit einer CO₂-Reduktion von 50 % in nur zehn Jahren. Zudem zeigte das Reallabor Roof Water Farm der TU Berlin, vorgestellt von Grit Bürgow, Leitung strategische Projekte & Reallabore der StadtManufaktur TU Berlin, wie Gebäude zu Produzenten von Frischwasser, Nahrungsmitteln und Dünger werden können.
C2C Design entdecken
Im Forum zu Circular Design standen Mode und Elektronik im Mittelpunkt. Nienke Steen vom Products Innovation Institute hob die Besonderheit des C2C-Zertifikats hervor: Es ist mehr als eine Zertifizierung, es fordert kontinuierliche Verbesserung. „Es ist nicht der Stärkste, der überlebt, sondern derjenige, der sich anpassen kann.“ Mads Kogsgaard Hansen, Head of Product Circularity & Portfolio Planning bei Bang & Olufsen, bezeichnete C2C als „ein Werkzeug des Wandels“. Es gehe um Bewegung und Zeitlosigkeit. Er erläuterte das Prinzip der Kreislauffähigkeit bei Elektronikprodukten, indem hochqualitative Materialien verwendet werden, die auch nach dem ersten Gebrauch weiterhin wertvoll bleiben, wenn das Produkt entsprechend designt ist. Signe Marie Bakka Backhaus, Leiterin Design & Product Development bei Roccamore, sprach über die Entwicklung von C2C-zertifizierten Schuhen. „C2C gibt den Rahmen vor, um zu wissen, was geändert werden muss“, sagte sie. Rückverfolgbarkeit schaffe Vertrauen. Roccamore verfolgt das Ziel, eine transparente und nachhaltige Produktion zu gewährleisten, was auch die bewusste Wahl der richtigen Partner beinhaltet.
Geschäftsmodelle für eine C2C-Wirtschaft
Im Panel zu zirkulären Geschäftsmodellen präsentierten Expert*innen unterschiedliche Ansätze für zirkuläre Wirtschaftskonzepte. Cedric Bardenhagen, Head of Sustainability Program Management – Motion Control bei Siemens, stellte das „Product as a Service“-Modell vor: Kund*innen zahlen für Nutzung statt Besitz. Siemens setzt das Prinzip etwa bei Großmaschinen ein. Jörg Witthöft, Leiter des Standorts Bielefeld von ZF Friedrichshafen erklärte, wie alte Lkw-Kupplungen in einem geschlossenen Kreislauf wiederverwendet werden können. Die Komponenten durchlaufen ein C2C-Remanufacturing und werden anschließend ohne Qualitätsverlust erneut verbaut. Kamila Szwejk, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt „ReCab“ an der Leuphana Universität Lüneburg, untersucht zirkuläre Ansätze an Kreuzfahrtschiffen. Kabinen von Kreuzfahrtschiffen können als schwimmende Rohstofflager konzipiert und nach der ersten Nutzung als Tiny Houses oder Hotels weiterverwendet werden. Alexander Maak, Managing Director von Encory, zeigte, wie gebrauchte Autoersatzteile aufbereitet und wiederverwendet werden. Das Unternehmen ist ein Joint Venture von BMW und dem Umweltdienstleister Interzero. Für Maak sind branchenübergreifende Kooperationen ein Schlüssel für funktionierende zirkuläre Geschäftsmodelle. Nur so sind Lösungen, wie beispielsweise die von Encory für das Direktrecycling von Batteriezellen, umsetzbar und zudem schnell skalierbar. Patrick Hypscher, Experte für zirkuläre Geschäftsmodelle, unterstrich indes die Rolle neuer Technologien bei der Umsetzung zirkulärer Geschäftsmodelle.
Mit C2C zum Zukunftsberuf
Im Panel zur Integration von C2C in die Berufsorientierung wurden Ansätze zur Förderung zukunftsfähiger Berufe und zur Verankerung von C2C in der Bildung diskutiert. Anna Britz von C2C NGO betonte, „Je früher wir Menschen damit in Kontakt bringen, desto größer ist die Chance, dass sie einen Studien- oder Berufsweg in Richtung C2C einschlagen.“ Christian Schlimok, Geschäftsführer und Gründer von Novamondo, stellte Projekte vor, die C2C in die Berufsbildung einbinden. Studierende arbeiten dabei gemeinsam mit Unternehmen an realen Herausforderungen. „C2C bietet ein Modell, um Lösungen für diese unternehmerischen Herausforderungen zu finden“, so Schlimok. “C2C in die Berufsorientierung zu bringen bedeutet auch immer Circular Literacy zu fördern”, sagte Laura Scherer, Jobcoach und Bildungsreferentin bei Circu:Culture. Es ist nicht nur ein theoretisches Konzept, sondern auch für die Lebensrealitäten von Menschen in verschiedenen Berufsbereichen relevant. Ulli Häseler, Mitarbeiter der Bito AG, berichtete von seiner Arbeit in der Lack- und Farbenbranche. „Unsere Farben sind C2C-zertifiziert. Oft erkläre ich Architekten, was das ist und wofür das gut ist.“ Die Herausforderung bestehe darin, Bewusstsein zu schaffen und Bildungsarbeit innerhalb der Branche zu leisten. Ein Schwerpunkt der Diskussion war, wie Austausch und Vernetzung zwischen Schulen, Unternehmen, Hochschulen und Organisationen gefördert werden könnte. Genannt wurden gemeinsame Formate und neue Wege, um Jugendliche gezielt für Ausbildungswege zu gewinnen.
Transformation begleiten: Die Rolle von Kultur & Medien
Nach der Mittagspause starteten die parallelen Foren in die zweite Runde. Erzählen wir uns die richtigen Geschichten? – so lautete die Ausgangsfrage im Panel “Transformation begleiten”. Im Mittelpunkt stand, ob Kultur und Medien die Transformation hin zu einer Circular Economy ausreichend beleuchten oder ob sie diese aktiv mitgestalten sollten. Jo Schück, Fernsehmoderator, sprach von einer Erzählkrise im Journalismus. Das Wissen liegt auf dem Tisch, es braucht neue Narrative, um Menschen zu erreichen. Tabea Kaplan, Geschäftsführerin von Loft Concerts, stellte das Projekt Labor Tempelhof vor. Gemeinsam mit C2C NGO und weiteren Partnern organisierte Loft Concerts sechs Großkonzerte nach C2C-Prinzipien. Die Veranstaltungen wurden zu Plattformen für zirkuläre Transformation. Domitila Barros, Greenfluencerin, äußerte sich zur Frage, ob Medienpersonen Vorbilder sein müssten: „Ich habe ein bisschen Angst vor dem Bild der Perfektion“, sagte sie. Menschen, die Mut machen und inspirieren, seien wichtig – entscheidend sei aber, dass Systeme geschaffen werden, die nachhaltiges Handeln für alle erleichtern. Für sie ist C2C-Vordenker Michael Braungart eine Quelle der Inspiration. „Warum fällt es uns leichter
Dystopien vorzustellen als eine schöne Zukunft?“, fragte Johanna Jaurich, Dokumentarfilmregisseurin bei fechnerMEDIA. „Die Klimakrise ist auch eine Narrativkrise.“, so Jaurich. Jakob Sylvester Bilabel, Projektleiter der Green Culture Anlaufstelle, brachte eine strukturelle Perspektive ein: „Es reicht nicht, auf Vorbilder zu setzen – wir brauchen klare Regeln und Rahmenbedingungen. Sonst bleibt Nachhaltigkeit eine individuelle Leistung und wird keine strukturelle Veränderung.“ Er plädierte für eine Ökonomie der Wirksamkeit: „Nachhaltigkeit darf nicht sexy sein, sondern muss zur Normalität werden.“
Einblicke in die C2C-Baupraxis: Wie die Branche heute schon zum Wandel beiträgt
Das Bauwesen gilt als ressourcen- und abfallintensiv, aber auch als Vorreiter bei der Anwendung von C2C-Materialien. Maximilian Breidenbach, COO von Claytec, erinnerte daran, dass kreislauffähiges Bauen keine neue Idee ist; bereits in der Antike wurden Materialien wie Lehm wiederverwendet. Heute setzt Claytec Lehm als wasserlösliches, chemiefreies Baumaterial ein. Massivholz kann ohne Leim oder Metallverbindungen verbaut werden. Holzius, ein auf Holzbau spezialisiertes Unternehmen mit C2C-Gold-Zertifizierung, setzt auf traditionelle Verbindungstechniken und gesunde Wohnräume im Einklang mit der Natur, erklärte Herbert Niederfriniger. Bei Kempen Krause Ingenieure spielt Digitalisierung eine wichtige Rolle. Um C2C in die Fachplanung zu integrieren, wurde ein Kompetenzzentrum Nachhaltig Bauen gegründet, welches Schulungen für Kommunen und Bauakteur*innen bietet. Entscheidend ist laut Ines Naumann, Leiterin des Kompetenzzentrums Nachhaltig Bauen, dass alle Beteiligten von Anfang an zusammenarbeiten. Projektentwicklung und die Entwicklung von Bausystemen mit begrenzten Ressourcen müssen wertebasiert sein, sagte Florian Michaelis, Geschäftsführer des Architekturbüros Graadwies. Dazu hat sein Unternehmen einen Wertekompass erarbeitet.
Kunststoffe und Verpackungen: Definiert, gesund, kreislauffähig
Im Gespräch über Kunststoffe und Verpackungen wurde deutlich, dass bereits entscheidende Schritte in Richtung Kreislauffähigkeit gegangen wurden, die Branche jedoch noch vor vielen Herausforderungen steht. Werner & Mertz versucht, den eigenen Umgang mit Kunststoffen so zu verändern, dass über die gesamte Produktpalette hinweg Kreislauffähigkeit gewährleistet sei, sagte Timothy Glaz, Leiter Corporate Affairs. Nicht nur Verpackungen, sondern auch die unternehmenseigene Sortierung werden dafür kontinuierlich optimiert. Kuori habe seit der Gründung mehr als 150 Materialformulierungen entwickelt, sagte Sarah Harbarth, CEO und Gründerin. Ziel sei es, aus Nebenprodukten wieder abbaubare Materialien zu schaffen. Dafür betreibt das Unternehmen zwei Lieferketten: eingehende Rohstoffe und ausgehende Materialien. Dr. Alexander von Niessen, geschäftsführender Gesellschafter von Chocal Sustainable Packaging, sagte, dass Kunststoffe nicht per se schlecht seien, aber der Fokus auf das richtige Management und die richtigen Materialien wichtig sei. Chocal könne mit ihren Verpackungslösungen rund 90 % CO₂ einsparen und gleichzeitig Kosten durch die Reduzierung des Verpackungsmaterials senken.
C2C bei Hightechprodukten
Im Panel zu Hightechprodukten wurde deutlich: Anspruchsvolle Technik und C2C schließen sich nicht aus. Christoph Dörn (WIK GROUP) unterstrich, dass Hightech-Produkte nur dann den Namen verdienten, wenn sie den Menschen nicht schaden. Anfangs war die Akzeptanz schwer gewesen, doch mittlerweile ist C2C bei Kund*innen selbstverständlich. Aus der Sicht einer C2C-Beratung ist es wichtig, dass C2C mehr ist als eine Produktzertifizierung, so Dr. Annette Winterl, Lead Consultant bei EPEA GmbH – Part of Drees & Sommer. Gerade bei Produkten mit vielen Komponenten sei dies eine Herausforderung, aber machbar. Hier kann schrittweise optimiert werden, zum Beispiel angefangen beim Gehäuse, auch wenn der Mikrochip heute noch nicht nach C2C hergestellt werden könne. Das Kühlsystem von Magnotherm ist so entwickelt, dass es später wiederverwendet werden kann, sagte Timur Sirman, Co-Gründer von Magnotherm. Dazu habe das junge Unternehmen C2C von Beginn an mitgedacht und nutze Magneten anstelle von schädlicher Kühlflüssigkeit in seinen Kühlschränken.
Zurück zum Kreislauf – Ansätze für eine zukunftsorientierte Agrarwirtschaft
Ein weiteres Panel beschäftigte sich mit der Frage, wie natürliche Nährstoffkreisläufe durch eine andere Agrarwirtschaft geschlossen werden können. „Eine lange Nährstoffreise endet in der Toilette“, sagte Florian Augustin, Geschäftsführer von Finizio, zur Tatsache, dass Menschen wertvollen Rohstoff wie Phosphor ungenutzt ausscheiden. Tests und Studien im Rahmen des Forschungsprojekts ZirkulierBar haben zudem gezeigt, dass der hergestellte Dünger ungefährlich ist und vergleichbare Ergebnisse wie synthetischer Dünger liefert. Der Einsatz von Düngemitteln aus menschlichen Ausscheidungen ist jedoch noch nicht durch das Düngemittelrecht gedeckt. Tim Gräsing, Geschäftsführer von ValueGrain, sprach über das Potenzial von Biertreber als wertvollem Stoffstrom. Das Unternehmen hat eine Technologie entwickelt, um Biertreber dezentral in Brauereien zu verarbeiten und flüssiges Mehl zu produzieren, das bereits von Marken wie Ikea in der Lebensmittelindustrie genutzt wird. Stefanie Zillner, Social Media Koordinatorin bei Delinat, erklärte, wie ihr Unternehmen den ökologischen Fußabdruck in der Weinproduktion verbessern möchte. Delinat setzt auf die strengsten Richtlinien für Weingärtner*innen, die ihre Weine über den Händler verkaufen möchten, wobei der Fokus auf der Förderung von Bodenqualität und Biodiversität liegt. Björn Köcher, der bei der Umweltstiftung Michael Otto die Projekte toMOORow und die PaludiAllianz leitet, sprach die Problematik von trockengelegten Mooren an. Intakte Moore sind nicht nur wertvolle CO₂-Senken, sondern können auch durch Paludikultur, Landwirtschaft in nassen Mooren, wiederbelebt werden. Der Anbau von Gräsern in nassen Mooren könne besonders für die Bau- und Verpackungsindustrie, etwa als Dämmstoffe, wertvolle Nutzungsmöglichkeiten bieten.
Zirkuläre Innenräume: Der Weg zum C2C Office
Von luftreinigenden Teppichfliesen bis zu gemieteten Büromöbeln: Auf diesem Panel wurden Ansätze für C2C-Innenräume. „Die Designsprache folgt der Verfügbarkeit der Materialien“, sagte Sven Urselmann, Gründer von Urselmann Interior, über seinen Ansatz. Er erklärte, dass beim Planen von zirkulären Innenräumen nach C2C der Ansatz von Anfang an mitgedacht und auch die zweite und dritte Nutzung von Materialien eingeplant werden sollte. Als Beispiele für eine gelungene Umsetzung nannte er das Bürogebäude „The Cradle“ in Düsseldorf sowie das POHA House in Aachen, in dem insgesamt 7.000 Kilo Re-use-Materialien von Concular verwendet wurden. Felix Kröncke, Managing Director DACH bei Ahrend, sagte, dass Büromöbel anders designt werden müssen, um für Kreisläufe geeignet zu sein. Ahrend revitalisiert gebrauchte Büromöbel, um den CO₂-Fußabdruck zu reduzieren. Eine Beispielrechnung aus einem Kundenprojekt zeigte, dass die Aufarbeitung von Möbeln 36.344 Tonnen CO₂ gegenüber einer Neuanschaffung einsparen konnte. Vorgestellt wurde auch der Werkbericht zum Campus Friedrichshain von St. Oberholz und Freiraum in der Box in Zusammenarbeit mit Concular. Laut Freiraum in der Box-Gründerin Carolina Mojto war die 2024 laufende Cradle to Cradle-Ausstellung im Freiraum ihre Inspiration für die Zusammenarbeit mit St. Oberholz und Concular. „Zirkuläre Planung ist kooperative Planung, und viele Kreise konnte man nur gemeinsam schließen“, lobte Mojto. Dominik Campanella, Co-Founder von Concular, erklärte, dass die Herausforderungen bei den beiden Co-Working Spaces St. Oberholz und Freiraum in der Box darin lagen, eine hochwertige Einrichtung mit wirtschaftlicher Rentabilität zu vereinbaren. Neue Mieter*innen entfernen beim Einzug häufig Trennwände. Stattdessen sei es sinnvoll, modulare Wände direkt beim Bau einzusetzen, die dann flexibel genutzt werden können und eine dynamische Gestaltung ermöglichen. Diese modularen Wände haben die gleiche Lebensdauer und Qualität, und durch die Zweitnutzung können 20 % der Kosten eingespart werden.