Mehr und mehr Kommunen gestalten ihre Vergabepraxis und ihre Stadtpolitik nach dem Cradle to Cradle-Prinzip, Schritt für Schritt. Herausforderungen bleiben nicht aus: Sowohl finanzielle Hürden als auch Schwierigkeiten auf Ebene der Verwaltungsstruktur machen es Kommunen nicht immer leicht, zirkulär zu agieren. Beim digitalen C2C Summit “Mit Cradle to Cradle klima- und ressourcenpositiv werden – eine Orientierung für Kommunen” am 26.11 haben sich unter anderem Bürgermeister*innen, Mitarbeitende in der kommunalen Verwaltung, Architekt*innen, Planer*innen und Lehrer*innen darüber ausgetauscht, wie sie mit diesen Herausforderungen umgehen. C2C werde immer mehr zu einem Begriff in der Gesellschaft und es werde immer wichtiger, entsprechend zu handeln, betont Tim Janßen, geschäftsführender Vorstand von Cradle to Cradle NGO: „Es ist nun Zeit, diese Themen in der Praxis voranzubringen. Die Rolle der Kommunen hierbei ist nicht groß genug zu schätzen.”
Heute bauen für die Zukunft, mit C2C
Es gibt bereits zahlreiche inspirierende kommunale Bauprojekte, welche die vielfältigen Möglichkeiten des Baus nach Cradle to Cradle veranschaulichen. Beim Holzbau wird Brandschutz oft als große Hürde wahrgenommen. Doch der Eindruck täusche, betonte Julian Karl, Architectural Project Manager und Assoziierter Partner bei Hermann + Bosch Architekten, die im baden-württembergischen Wendlingen ein Parkhaus nach Holzbauweise realisiert haben:. „Die Simulationen haben gezeigt: Im Brandfall ist unser Holzparkhaus sicherer als ein vergleichbares Gebäude aus Stahl.”
„Wir werden aber um Beton nicht herumkommen, auch wenn wir gerne so viel wie möglich mit Holz bauen würden”, warf Matthias Heinrich, Teamleader beim Innovationspartner EPEA – Part of Drees & Sommer, ein. Es sei aber gut zu wissen, dass es Alternativen gibt, und diese auch schon umgesetzt werden. Matthias Schäper, Teamleiter für den Bereich Initiativen und klimapositive Kommunen bei der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB e.V. unterstrich die interkommunale Arbeit, um voneinander zu lernen und Prozesse gemeinsam weiterzuentwickeln. Bei der DGNB wolle man “Wege aufzeigen, von denen andere Kommunen profitieren können”, so Schäper. “Wir haben nicht mehr die Zeit, dass jeder bei Null anfängt und das Rad neu erfinden muss.”
Money talks: die finanzielle Herausforderungen für C2C
C2C-Prinzipien auf kommunaler Ebene umzusetzen ist oft eine politische Entscheidung. Patrick Alex arbeitet in der Kompetenzstelle für Nachhaltige Beschaffung der Stadt Ludwigsburg und beschäftigt sich seit 2018 damit, Kreislauffähigkeit in der städtischen Beschaffung umzusetzen. Kreislauffähige Beschaffung sei dann besonders sinnvoll, „wenn sie in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit eine positive Wirkung erzielen kann, wenn sie also ökologisch, ökonomisch und sozial eine positive Wirkung hat”, findet Alex. Auf städtischer Ebene mache sich der Wandel hin zu klima- und ressourcenpositiver Beschaffung und gesunden Materialien langfristig durch eine saubere Umwelt, bessere Arbeitsbedingungen und sinkende Krankenstände bemerkbar. Der kritische Punkt, betonte Patrick Alex, sei in der politischen Debatte aber meist der ökonomische. Denn zwar rechneten sich kreislauffähige Produkte, da sie oft von besserer Qualität seien und eine längere Lebensdauer hätten, sie erforderten aber zu Beginn größere finanzielle Investition. Das sei für viele Kommunen schwierig, pflichtete Dr. Andreas Bukowski, Erster Bürgermeister der Gemeinde Haar, bei: „Leider ist es nicht so einfach, politische Mehrheiten für zirkuläre Beschaffung zu finden, solange die konventionellen Optionen auf dem Papier noch günstiger sind.” In Bremen komme der Ruf, sich mit zirkulärer Beschaffung zu beschäftigen, nicht nur aus der Politik und der Wirtschaft, sondern auch aus der Zivilgesellschaft, bemerkte Nele Wiehenkamp, Referentin für Grundsatzfragen der ökologischen Beschaffung bei der Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft der Freien Hansestadt Bremen. Diese Unterstützung aus verschiedenen Teilen der Gesellschaft sei sehr hilfreich und übe einen zusätzlichen Druck auf die Politik aus, sich noch stärker für eine nachhaltige Beschaffung einzusetzen.
C2C zum Anfassen und Erleben: In der Schule, auf Konzerten und bei Großveranstaltungen
Wenn ein C2C-Projekt erlebbar wird, dann erreicht es die Bürger*innen direkt und kann begeistern. Anne Pieper und ihr Team konzipieren die Landesgartenschau Rheinland-Pfalz 2027 in Neustadt an der Weinstraße. Sie verfolgen das Ziel einer vollständig kreislauffähigen Landesgartenschau und haben Cradle to Cradle als zentrale Planungsgrundlage gewählt. Unter anderem kommen nachwachsende Rohstoffe und Second Life Materialien zum Einsatz, so zum Beispiel Holz aus dem städtischen Forst.
Beim abschließenden Panel des Summit standen Bemühungen im Fokus, Cradle to Cradle in die Gesellschaft zu tragen und Menschen für den Ansatz zu begeistern. Philip Elsen ist der Fachbereichsleiter für Gesellschaftswissenschaften/Politik am Beethoven Gymnasium Berlin. Zusammen mit seinen Schüler*innen setzt er das Projekt „Klassenzimmer der Zukunft” um. „Unser Ziel und Leitbild ist: Lasst uns nicht nur unser Klassenzimmer, sondern unsere Lebenswelt nachhaltig gestalten.”, so Philip Elsen. Beim Projekt gehe es nicht darum, mit moralischem Zeigefinger zu zeigen, sondern zu begeistern, zu lernen und zu bilden. Wichtig sei es, aktiv etwas zu verändern und zu erleben, dass man die Macht dazu habe.
Katja Mailahn, Geschäftsführerin bei Mainzplus Citymarketing GmbH, sieht dies ähnlich: “Es ist unglaublich wichtig, Lösungen zu erarbeiten und ins Handeln zu kommen. Das befreit aus der Ohnmacht.” Mainzplus Citymarketing greift mit dem kreislauffähigen Projekt „Zukunftsmucke“ die Erkenntnisse und Ansätze vom Labor Tempelhof auf. Mit großem Erfolg: Für 2025 ist eine Wiederholung geplant. „Auf diese Weise können wir uns im Bereich C2C gegenseitig inspirieren und „das, was wir im Kleinen gelernt haben, auf eine größere Bühne bringen”, berichtete Mailahn beim Summit.
C2C NGO hofft, dass die Vielfältigkeit der kommunalen Projekte, die auf dem Summit aufgezeigt wurden, weitere Kommunen zum Nachmachen ermutigt hat. Wir laden alle Kommunen und kommunale Tochtergesellschaften, die die Transformation nach C2C eingehen wollen, herzlich zur Folgeveranstaltung „C2C in Deiner Kommune“ ein. Meldet euch zum 22. Januar an!