Unter dem Motto „Bildung von morgen läuft rund“ diskutierten über 20 Speaker*innen beim ersten C2C Summit 2024 am Beethoven Gymnasium in Berlin – es ging um Selbstwirksamkeit, Zuversicht und Vernetzung
Bei Sonnenschein und guter Stimmung kamen in der Aula des Beethoven Gymnasiums am 13. April Menschen aus dem Bildungssektor zusammen, um gemeinsam Antworten auf die folgenden Fragen zu finden: Wie können wir es schaffen Schüler*innen, Auszubildenden und jungen Menschen genug Raum und Perspektive zu bieten, damit sie selbst in der Gestaltung unserer Zukunft aktiv werden können? Wie verbinden wir die Idee von Circular Economy nach Cradle to Cradle mit dem Bildungssystem? Und vor allem: Welche Unterstützung brauchen die Einrichtungen, wie können wir das Bildungssystem anpassen und wie verknüpfen wir Bildung mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft?
Unterschiedliche Werte und Ansichten von Schüler*innen als Chance sehen
Das hält Christina Henke, Staatssekretärin der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, für ausschlaggebend. In ihrer einleitenden Keynote betont sie die Bedeutung des Mitdenkens von Schüler*innen: Weniger kurzfristiges Auswendiglernen ohne Langzeiteffekt und mehr Vermittlung von Kompetenzwissen solle in der Schulbildung stattfinden – so werden Schüler*innen befähigt, die Zukunft mitzugestalten. „Wandel ist nur möglich, wenn wir die verschiedenen Ansichten und Wertvorstellungen der Schüler*innen nutzen, um eine zukunftsfähige Gesellschaft zu schaffen. Wir müssen lernen, welchen Beitrag Schüler*innen leisten können”, so Henke. Sie setze sie sich für eine Implementierung des Bereichs Nachhaltigkeit in die Lehrpläne ein und verweist auf die Agenda 2030 der UN, welche 17 konkrete Ziele für eine nachhaltige Entwicklung aufweist. Durch staatliche Förderung und das Schaffen von Freiräumen in Schulen für relevante Themen und Bedürfnisse der Schüler*innen soll das Umdenken von Lehre unterstützt werden.
“Für uns als Cradle to Cradle NGO sind die Vermittlung einer positiven Perspektive und das Gefühl von Selbstwirksamkeit als Antwort auf Klima-Ängste und -Sorgen wichtig”, erklären unsere Bildungsreferentinnen Anna Britz und Lisa-Sophie Kinne. Die C2C Denkschule und der ganzheitliche Ansatz zeigen, dass wir ganz am Anfang ansetzen müssen: Sowohl bei Produkten als auch Denkweisen. Gesellschaft, Wirtschaft und Politik sind eng miteinander verknüpft. Diese Zusammenhänge sollen in Zukunft von Schüler*innen besser verstanden und genutzt werden können. Unsere Ansätze sind die Verbindung von aktiven Menschen durch das Aufbauen eines Bildungsnetzwerks, das Entwickeln von Räumen und Formaten innerhalb der Schulen für die Entfaltung der Schüler*innen und nicht zuletzt die Unterstützung der Schulen bei der Umsetzung der Ideen, so Kinne und Britz.
Mehr Freiräume und aktive Gestaltungsmöglichkeiten
Während des Panelgesprächs “BNE trifft C2C” diskutierten Moderatorin Isabel Gomez, Mitglied der Geschäftsleitung von C2C NGO, Fabian Ernstberger, Abgeordneter des YoupaN, Nora Oehmichen, Teachers for Future Germany e.V. und Stefan Rostock, Bereichsleiter Bildung für nachhaltige Entwicklung bei Germanwatch e.V., über die Rolle von Schule, Lebensrealität, Arbeitswelt und das Zusammenspiel dieser Themengebiete.
Oehmichen ist der Meinung, dass Veränderung und ein grundsätzliches Umdenken von Schulen erst einmal ermöglicht und gefördert werden sollen: „Wir brauchen Veränderung von oben und müssen Freiräume schaffen. Bis dahin ist besonders die Vernetzung unter Engagierten wichtig.” Ähnlich sieht es auch Ernstberger: „Es gibt große Unterschiede zwischen den Schulen bezüglich der Förderung von Schüler*innenengagement: Aktuell ist es mehr oder weniger eine Glücksfrage, ob die Ansätze richtig umgesetzt werden und Schüler*innen wahren Einfluss haben. Es gibt viele Einzelpersonen, die sich engagieren. Deshalb sollten wir Netzwerke und das Engagement anderer als Motivation sehen, selbst aktiv zu werden.”
Die Gestaltung von realen Prozessen zu erfahren, hält Oehmichen, besonders für ein demokratisches Schulsystem und seine Schüler*innen, für wichtig. Die Realität als Lehrraum und die Schule als Rückzugsort zur Reflektion – in dieser Rollenverteilung sieht die Lehrerin das System Bildung. Sie berichtet von dem Projekt FREI DAY, welches Schüler*innen teilnehmender Schulen ermöglicht, in ihrem eigenen Umfeld nachhaltig aktiv zu werden. Rostock ergänzt: „Die Schule, sowie das gesellschaftliche und wirtschaftliche Umfeld müssen gemeinsam betrachtet werden: Es geht darum, Selbstwirksamkeit zu erfahren und Begegnung im politischen Raum zu ermöglichen.“
Als Fazit aus dem Panel lässt sich mitnehmen: Es braucht mehr Freiraum, aktive Gestaltungsmöglichkeiten und Realität an Schulen. Auch der Austausch von Arbeitgebenden mit zukünftigen Arbeitnehmenden und ihre Vorstellung von nachhaltigem Leben solle in gesichertem Rahmen gefördert werden.
Gemeinsam, digital, kreislauffähig
In verschiedenen Workshops erfuhren die Teilnehmenden, wie Kreislauffähigkeit in der Modebranche aussieht oder Unterricht mit dem Circular Society Toolkit aufgebaut werden kann. Fähigkeiten wie Zukunftsthemen spannend zu verpacken, digitalen Unterricht mit Digital Sparks: “Make it Circular” zu gestalten oder die Nachhaltigkeit in Schüler*innenfirmen zu entdecken wurden ebenso vermittelt.
Bei der Paneldiskussion zu dem Thema „Auf dem Weg zum C2C-Lernort: Zukunftsfähiger Schulbau” am Nachmittag, kamen zusammen: Nora Sophie Griefahn, Co-Gründerin und Geschäftsführende Vorständin von C2C NGO, Sebastian Hirsch, Schulbauberater und Bildungsaktivist, Sarah Kocabiyik, Chief Operating Officer bei Metabuild und Carolina Mojto, Architektin, Gründerin und Leiterin von Freiraum in der Box.
An Beispielen wurde erläutert, wo C2C im Bau bereits umgesetzt wurde: Das Rathaus in Venlo oder The Cradle im Düsseldorfer Medienhafen. Hirsch betonte: „Bevor man C2C neu baut, sollte man allerdings erst einmal bereits gebauten Bestand nutzen oder umfunktionieren.” Auch hierfür gibt es einige Beispiele, wie die ehemalige Airberlin Zentrale oder einen Galeria Kaufhof in Kiel, die zu Schulen umgebaut wurden.
Mojto zeigte Materialien eines aktuellen Projektes und berichtet über den NaturCampus der BSC am Müggelsee, welcher ebenfalls umfunktioniert wurde. Er sei ein perfektes Beispiel für freie Raumgestaltung, ein relevantes Thema beim nachhaltigen Bildungsbau. Kocabiyik ergänzte: „Als ersten Punkt nenne ich den Bestandserhalt und Schadstoffe zu beseitigen. Darüber hinaus sind flexible und nutzungsoffene Räume lösungsorientiert.”
Auf die Publikumsfrage, wie der kreislauffähige Bau im politischen Kontext funktioniere, antwortete Hirsch, dass die Politik zu überzeugen ein wichtiger Teil der Aufgabe sei, wenngleich es auch nicht überall gleich einfach zu sein scheint.
Man solle aufzeigen, wie Freiräume und Kreislauffähigkeit in der Architektur funktionieren. „Das kann man beispielsweise sehr gut am C2C LAB sehen und erfahren“, findet Kocabiyik.
Mojto berichtete, wie bei der C2C-Ausstellung im Freiraum in der Box vor allem die Zusammenarbeit von engagierten Menschen zum Erfolg geführt hat.
Zum Schluss wurde über Leerstand und die Frage, wie der politische Wille an diesem Zustand etwas zu ändern beeinflusst werden kann, gesprochen. Lobbyarbeit für nachhaltigen Wohnungsbau und Bestandsnutzung, kreative Lösungen sowie das Lernen von anderen sind hier essentielle Ansätze. Der Leitfaden für C2C im Bau und das Guidebook zu Labor Tempelhof können als Hilfestellung für den Bau verwendet werden.
Von der Schule in die Gesellschaft: Berufe der Zukunft.
Bei der zweiten Diskussionsrunde diskutierten Laura Scherer, Inhaberin von Circu:culture, Florian Scholz, Geschäftsführer bei Solaro PV Berlin GmbH und Lisa Häfner, Life Bildung, Umwelt Chancengleichheit e.V. und Gomez, was Circular Economy und C2C mit zukünftigen Aus- und Weiterbildungswegen für junge Menschen zu tun hat und wie sie Gestaltungskompetenzen aufbauen können.
Das Ziel von Circu:culture ist es, Kreislaufwirtschaft durch Bildung und Erlebnisse erfahrbar zu machen. So berät Scherer Firmen bei der Optimierung ihrer Entsorgungsprozesse – betonte aber, dass Beratung nicht ausreiche, sondern mehr Power und Potenzierung benötigt wird.
Häfners Arbeit bei Life hat hauptsächlich zum Ziel, Jugendlichen den Aspekt Nachhaltigkeit bei der Berufswahl näherzubringen. Zielgruppen übergreifend bezieht sich das Angebot auch auf Fortbildungen und bereits berufstätige Menschen, erläuterte sie.
Scholz erklärte, dass er, nachdem er von dem Beispiel gehört hat das theoretisch ein Solarfeld der Größe 50 km × 50 km ausreichen würde, um den Stromverbrauch ganz Deutschlands zu decken, die Motivation gefunden hat, das Solartechnik-Unternehmen Solaro zu gründen. Er denkt, dass man Vorbildfunktionen und Inspiration haben sollte: „So etwas findet man vor allem auf Events wie diesem hier. Kleine Anreize schaffen oftmals schon einen riesigen Unterschied.”
Auf die Frage, welche Kompetenzen bei der Circular Economy wichtig sind, antwortete Häfner: “Erstens: Begeisterung und Motivation – wir müssen die gesamte Wirtschaft umstellen, dafür sollten wir brennen! Zweitens: Für die Synergy-Effekte brauchen wir das Vernetzen und die Kooperation von diesen motivierten Menschen. Wir brauchen eine gemeinsame, systemische Denkweise, daran führt kein Weg vorbei.” Scholz ergänzte: „Die Kommunikation der Nachhaltigkeit spielt auch eine entscheidende Rolle, um die Konsument*innen mitzunehmen. Kommunikationsfähigkeit ist also eine dieser wichtigen Kompetenzen.” „Das Problem, was wir aktuell haben, hängt mit dem Überkonsum zusammen: Produkte, Entertainment, Essen. Alles kommt von außen in uns rein. Wir brauchen genau das Gegenteil: Von Innen nach Außen; Die Kreativität spielt hier eine große Rolle”, so Scherer.
Auf die Frage, ob die Diskussionsteilnehmenden ihren Job als zukunftsfähig betrachten, konnte nur Scholz mit Ja antworten, da der große Energiebedarf unserer Gesellschaft auch zukünftig klimafreundlich gedeckt werden muss. Häfner und Scherer hoffen, dass ihre Arbeit bis dahin abgeschlossen ist und die Themen Nachhaltigkeit und Circular Economy in alle Teile der Gesellschaft vorgedrungen sind.
Cradle to Cradle in den eigenen Alltag und Beruf mitnehmen
Phil Elsen, Politiklehrer, Fachbereichsleiter der Gesellschaftswissenschaften an dem Beethoven Gymnasium stellte zuletzt mit den Schüler*innen des Zusatzkurses Politik das Cradle to Cradle-Klassenzimmer vor und zeigt, was heute schon möglich ist im Bereich des nachhaltigen Bauens in Schulen. Im World Café tauschten sich die Teilnehmenden des Summit angeregt aus und diskutierten Möglichkeiten, die heute gelernten Themen und Ideen umzusetzen.
„Ich wünsche uns allen den Mut, die Ideen des heutigen Tages mit in den eigenen Alltag und Beruf zu nehmen.”, so schloss Griefahn den Summit und leitete über zu dem letzten Teil des Tages: Beim Ausklang vernetzen und unterhalten sich viele der Teilnehmenden und Speaker*innen und planen schon die ersten Schritte: Das weitere Vernetzen, Unterstützen und Ändern des Bildungssystems und damit unserer Gesellschaft im Sinne von Cradle to Cradle!