Im Gespräch mit Helge Viehweg, Bürgermeister der C2C Modellgemeinde Straubenhardt, über das Ziel, ohne Müll zu leben und den Mut, dafür Neuland zu betreten.
Straubenhardt wurde 2019 zur ersten Cradle to Cradle Modellgemeinde Baden-Württembergs. Warum haben Sie diese Vorreiterrolle eingenommen?
Wir sind eine Gemeinde mit rund 11.500 Einwohnern. Mit innovativen Ideen und im Interesse unserer Bürger*innen möchten wir das Prinzip „Cradle to Cradle“ (C2C) umsetzen, weil wir Dinge anders denken wollen. Wir wollen es schaffen, im Großen und Kleinen andere Akzente zu setzen. Wir möchten weitgehend ohne Müll leben und einen positiven Fußabdruck hinterlassen – und somit positiv zur gesellschaftlichen Entwicklung beitragen. Wir wollen Vorbild für andere sein.
Seit Anfang des Jahres gibt es in Straubenhardt auch eine ehrenamtliche Regionalgruppe von C2C NGO. Wie kann die dazu beitragen, den Bürger*innen Cradle to Cradle als Entwicklungsleitbild näher zu bringen?
Durch Ideen, die gemeinsam mit den Straubenhardter Bürger*innen entwickelt werden. Nur so kann das Thema unseren Einwohner*innen näher gebracht werden. Mehr Öffentlichkeitsarbeit und mehr Aktionen vor Ort helfen, das Konzept von C2C zu vermitteln und eine höhere Akzeptanz zu erreichen. Die ehrenamtliche Gruppe soll dazu beitragen, Cradle to Cradle (C2C) als Ansatz für ganzheitlichen Umwelt- und Ressourcenschutz in und um Straubenhardt mit Leben zu füllen.
Das erste große C2C-Projekt war der Neubau des Feuerwehrhauses. War es einfach, Architekt*innen und Baufirmen zu finden, die den C2C-Ansatz unterstützen und umsetzen?
Mitstreiter zu finden, ist immer eine Herausforderung. Insbesondere wenn es sich um neuartige Konzepte wie C2C dreht. Beim Feuerwehrhaus war schnell klar, dass das Architekturbüro mit uns Neuland betreten wollte. Das muss Schule machen.
C2C NGO arbeitet gerade an einem Leitfaden, der Städten und Gemeinden Richtlinien für die öffentliche Beschaffung nach C2C-Kriterien an die Hand geben soll. Straubenhardt plant bereits, die kommunale Beschaffung entsprechend umzustellen: Was ist an der Umstellung auf C2C-Produkte für Sie besonders wichtig und welchen Effekt soll sie haben?
Gerade im Kleinen kann jeder einen Beitrag leisten, ob es beim Bestellen von Büromaterial ist oder beim Einsatz bestimmter Baumaterialien. Wenn immer mehr C2C-zertifizierte Produkte in Umlauf gebracht werden, haben wir schon viel erreicht – für die Umwelt, aber auch im Bewusstsein der Menschen.
Welche weiteren C2C-Projekte – groß und klein – sind in Straubenhardt geplant?
Wir wollen die Bauweise des neuen Feuerwehrhauses fortsetzen und auch künftige Baugebiete nach dem C2C-Grundsatz ausrichten. Ein neues Quartier mit Einzelhandel, Wohnen und eventueller Kommunaleinrichtung soll ebenfalls als C2C-Projekt entwickelt werden. Zudem soll unser Familienzentrum, die Villa Kling am Rande von Straubenhardt, ein C2C-Begegnungszentrum werden.
Welche Tipps haben Sie für andere Städte und Kommunen, die sich mit Cradle to Cradle zu einer wirklich nachhaltigen und prosperierenden Region entwickeln wollen?
Mutig vorangehen! Wenn wir mit Freude Dinge verändern, werden noch mehr nach den Erfahrungen fragen, aber auch in die Umsetzung gehen.
Inwiefern tragen Plattformen wie das Netzwerk C2C Regionen dazu bei, dass noch mehr Städte und Gemeinden in die Umsetzung gehen?
Wenn die Plattform es schafft, Lösungen anzubieten, ein Netzwerk aufzubauen, das dem Austausch und dem gegenseitigen Lernen dient, dann wird es viele ermutigen. C2C ist in der konkreten Umsetzung für uns alle nicht leicht. Vieles muss verstanden werden. Zudem sind die Ansprechpartner noch recht rar. Jetzt besteht die Chance ein Bündnis aufzubauen. Wir brauchen starke Partner, konkrete Lösungen und ein auf Lösungen konzentriertes Netzwerk, um Hindernisse und Ängste abzubauen. Nicht jeder muss das Rad neu erfinden, das erhoffe ich mir vom Netzwerk.
Helge Viehweg hat Rechtswissenschaften in Leipzig, Mainz und Bremen studiert und war als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht in Pforzheim tätig. Seit 2013 ist er Bürgermeister der Gemeinde Straubenhardt und wurde zuletzt im April 2021 im Amt bestätigt. Als Bürgermeister engagiert er sich insbesondere für ein bürgernahes Miteinander und innovative Zukunftsthemen.
Dieser Artikel erschien erstmals im Printmagazin NÄHRSTOFF #5