Am zweiten Congress Tag blickten wir auf die Bauwende, politische Rahmenbedingungen und den Umgang mit Ressourcen in Zeiten veränderter Sicherheitslagen. In vielen ressourcenintensiven Branchen wurden bereits Fortschritte erzielt, doch es bleibt viel zu tun. Welche politischen Weichenstellungen und Innovationen braucht es für die Transformation hin zur Kreislaufwirtschaft nach Cradle to Cradle? Expert*innen aus Bau, Industrie und Politik gaben Antworten.
C2C im Bau: Angekommen in der Transformation. Und jetzt?
Wo steht der ressourcen- und müllintensivste Wirtschaftssektor in Deutschland in Sachen C2C? In Teilen sei der Bausektor bereits angekommen, sagte Dr. Peter Mösle, Gesellschafter bei Drees & Sommer SE + EPEA GmbH, in seiner Keynote. Doch es fehle an politischen Rahmenbedingungen. Der digitale Gebäuderessourcenpass sei der „einzige Schlüssel des zirkulären Bauens“. Denn nur wenn wir wissen, welche Materialien wir vom Design bis hin zur Verwendung nutzen, „können wir Cradle to Cradle im Bausektor flächendeckend umsetzen“, so Mösle.
Das anschließende Panel widmete sich der Frage wie sich C2C im Bauwesen mithilfe zirkulärer Geschäftsmodelle umsetzen ließe.
Wilhelm Mauß, Geschäftsführer von Lorenz, erklärte, wie seine Firma durch die Rücknahme und Wiederverwendung von Wasserzählern ein zirkuläres Modell etabliert habe. „Der Kunde von gestern ist der Lieferant von heute“, so Mauß. Bis zu vier Mal könne der Zähler genutzt werden, was nicht nur eine „neutrale Ökobilanz“ ermögliche: „Wir erzielen einen wirtschaftlichen Vorteil, den wir mit unseren Kunden teilen“, erklärte Mauß.
Die Geschäftsführerin des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW, Gabriele Willems, kritisierte den Abriss vieler Gebäude und den Verlust der darin enthaltenen Materialien.
„2019 haben wir das Projekt ‚Klimaneutrale Landesverwaltung‘ mit verbindlichen Maßnahmen gestartet, die auch die Wiederverwertung von Materialien umfassen“, erklärte Willems. Besonders wichtig sei die Entwicklung einer Kultur der Wiederverwertung, wozu eine interne Materialbörse eingerichtet wurde, die später zu einem Second-Hand-Markt ausgebaut wurde.
Sebastian Schels, Chief Environmental Officer bei Ratisbona Handelsimmobilien, widerlegte den Mythos, dass zirkuläres Bauen immer teurer sein müsse: „Wir arbeiten mit Abfallmaterialien, die am Ende gut aussehen, und es ist günstiger, weil wir Materialien auf intelligente Weise nutzen.“ Durch diese Praxis könnten langfristige Kostenvorteile erzielt werden.
Kreislaufwirtschaft, Cradle to Cradle und politische Entwicklungen
Als Menschen hätten wir uns sehr weit vom ursprünglichen Gedanken wirtschaftlichen Handelns verabschiedet, sagte Dr. Janez Potočnik, Co-Vorsitzender des UNEP International Resource Panel, in seiner Keynote. Dieses sollte den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Schon immer sei die Ressourcennutzung eng mit dem menschlichen Wohlstand verknüpft gewesen. „Der Klimawandel ist ein Symptom des ökologischen Überschusses“, so Dr. Potočnik. Er kritisierte zudem die verschwenderische und ungerechte Wirtschaftsweise der industrialisierten Länder. Der Bausektor, die Mobilität, Nahrungsmittel und Energie machten 90 % der globalen Materialnachfrage aus, wobei sich der Materialverbrauch je nach Einkommensgruppe unterscheide. Die Lösung liege daher in einer stärkeren Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Menschen und der Entkopplung des Ressourcenverbrauchs von wirtschaftlicher Aktivität und Wohlstand.
Vom Denken ins (Regierungs-)Handeln kommen
Wie kommen wir vom Denken ins Handeln? Dieser Frage stellten sich Thomas Heilmann, Vorsitzender der KlimaUnion, und Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Rates für nachhaltige Entwicklung, im nächsten Panel.
Heilmann betonte die finanziellen Herausforderungen der Transformation und sprach sich für eine ehrliche Diskussion darüber aus: „Wir sehen, wie stark die Menschen opponieren, wenn es an ihr Portemonnaie geht. Darum müssen wir ihnen erklären, warum das notwendig ist“, so Heilmann. Hoffmann unterstrich, dass Investitionen – sowohl private als auch öffentliche eine Grundvoraussetzung für den Erfolg der Klimaneutralität seien. Er wies darauf hin, dass 70 % der Deutschen eine ambitionierte Klimapolitik befürworteten, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass sie sozial gerecht gestaltet werde. Entscheidend sei, was im Koalitionsvertrag in Bezug auf Klima und Ressourcen verhandelt werde.
Zudem hob Hoffmann die Bedeutung der Schaffung von Arbeitsplätzen im wirtschaftlichen Umbau hervor. Entscheidend sei nicht nur die Anzahl, sondern auch faire Löhne, Anerkennung und Wertschätzung. Besonders in betroffenen Branchen wie Verkehr, Energie und Zement müssten neue Perspektiven geschaffen werden, um Ängste vor Jobverlusten zu mindern.
Apple’s Roadmap to 2030
Frank Lenderink, Direktor für internationale Umweltinitiativen für die Region Europa, Naher Osten, Indien und Afrika von Apple, sprach über die Zirkularitätsziele des Konzerns. „Unser größtes Ziel heute ist es, bis 2030 den gesamten Lebenszyklus unserer Produkte klimaneutral zu gestalten“, erklärte er. „Über alle Produkte hinweg machen recycelte Materialien 22 % des Inhalts im gesamten Portfolio aus“, so Lenderink. Ein Beispiel für den Fortschritt sei das neueste iPhone, das inzwischen 100 % recyceltes Lötzinn und Gold enthalte.
Klima, Energie und ein anderer Umgang mit Ressourcen
„Als Klimaforscher sage ich: Es ist 5 nach 12 – tun wir mal was“, so Prof. Dr. Gerald Haug, Präsident der Leopoldina. Klimabedingte Unwetterlagen würden extremer, ein Umbau des Energiesystems sei unumgänglich. „Wir müssen CO₂ reduzieren und aus der Kohle aussteigen. Die Zahlen zeigen, dass wir die Trendwende noch nicht geschafft haben.“ Ohne den Ausstieg aus dem linearen Wirtschaften sei der Klimawandel nicht zu bewältigen: „Echte Kreislaufwirtschaft und Carbon Capture sind nötig, um CO₂-Neutralität zu erreichen. Das ist heute noch teuer, aber skalierbar.“ Auch der Ausbau erneuerbarer Energien und eine Wasserstoffwirtschaft seien essentiell.
Was Cradle to Cradle für die Automobilbranche bedeutet
„Ich bin schon lange bekennender Cradle to Cradle-Fan“, erklärte Christiane Benner, Erste Vorsitzende der IG Metall und Beirätin von C2C NGO. Sie sehe in C2C eine große Chance für den „fairen Wandel und ökologischen Umbau, den wir in diesem Land und in Europa brauchen“. Besonders in der Automobilbranche gebe es enormes Potenzial. „Circular Car ist eine Vision, von der wir noch weit entfernt sind“, sagte Benner. Ein modernes Auto bestehe aus rund 10.000 Einzelteilen, viele davon könnten wiederverwendet werden. Statt Fahrzeuge zu verschrotten, müsse die Industrie stärker auf Kreislaufwirtschaft setzen. Der Fortschritt mache sich schon bemerkbar, doch er werde durch hohe Energiekosten, unzureichende Rücknahmeprogramme und den Export wertvoller Rohstoffe ausgebremst. Um echte Veränderungen zu erreichen, brauche es einheitliche technische Standards und ein konsequentes Design-for-Circularity.
C2C NGO vor Ort
Cradle to Cradle NGO lebt von ehrenamtlichem Engagement, unterstützt von rund 1.000 Freiwilligen in der DACH-Region. Auf der Hauptbühne sprachen Frieda Assel (Köln) und Thorsten Noll (Mainz-Wiesbaden), Regionalgruppensprecher*innen. Beide motiviert der direkte Kontakt mit Menschen. Was verbinden diese Regionen außer der Begeisterung für C2C? Karneval und Fastnacht. Beide berichteten, wie sie sich für einen nachhaltigeren Karneval einsetzen: mit einem ökologischen Karneval in Köln und der Initiative „Sauber Sach“ in Mainz, die die Fastnacht umweltfreundlicher gestalten möchte, zum Beispiel durch die Nutzung von Konfetti als Dünger.
Die Rolle von Cradle to Cradle bei der UN
Auch auf UN-Ebene spielt die der Kreislaufwirtschaft für die Erreichung der Ziele der Agenda 2030 eine wichtige Rolle. Junhua Li, Untergeneralsekretär für Wirtschaft und Soziales der Vereinten Nationen, betonte „Die Kreislaufwirtschaft, die nun in den Vereinten Nationen anerkannt ist, bietet in der Tat eine transformative Lösung, die Antworten auf dringende Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung liefert.” sagte Li. Der Übergang von einem traditionellen linearen Modell zu einer stärker zirkulären Wirtschaft sei also absolut essentiell und ein äußerst wirkungsvoller Katalysator für die Agenda 2030.
Kreislauffähig im Design: Der neu erfundene C2C-Gefrierschrank
Dass C2C gelebte Praxis ist, bestätigte Maria Mack, Head of Global Communication & Brand Management von Liebherr-Hausgeräte in ihrem Impuls-Vortrag zu Liebherrs C2C-Gefrierschrank. Der Gefrierschrank verwende das natürliche Material Perlit anstelle des üblichen Schaumstoffs für die Isolierung. Perlit, ein Vulkangestein, biete eine stabilisierende Eigenschaft und sei zudem umweltfreundlich, da es in großen Mengen verfügbar und zirkulär einsetzbar sei. Die Entwicklung des Geräts beschrieb Mack als intensiven Prozess, bei dem Produktionsmethoden und Messverfahren neu erdacht wurden.
C2C in Berlin voranbringen
Im letzten Programmpunkt des Congresses trat Franziska Giffey, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe sowie Bürgermeisterin von Berlin, auf die Bühne. Giffey unterstrich, dass der Kreislaufwirtschaft in den aktuellen politischen Zeiten mehr Aufmerksamkeit gebührt. Sie verwies auf Berlins Ambition, Innovationsstandort Nummer eins in Europa zu werden, und erklärte, dass die Transformation hin zur Kreislaufwirtschaft ein zentrales Thema in den kommenden Koalitionsverhandlungen sein müsse. Der Congress sei in dieser Zeit von großer Bedeutung. Berlin besitze viel Potenzial, insbesondere durch die Nutzung von Dächern und Abwasserkanälen für erneuerbare Energien, so Giffey. Sie wies darauf hin, dass trotz bereits erzielter Fortschritte noch viel Raum für Verbesserungen bestehe, insbesondere im Hinblick auf den Circularity Gap.