Zum zweiten Mal in Folge versammelten sich Expert*innen und Akademiker*innen im Vorfeld des Internationalen Cradle to Cradle Congress an der TU Berlin, um die neuesten Forschungserkenntnisse rund um C2C und Circular Economy zu diskutieren. Drei Keynotes, drei Roundtables, zehn Projektpitches, ein Gallery Walk und über 100 Teilnehmende – das war das C2C Forschungssymposium.
Nora Sophie Griefahn, geschäftsführende Vorständin von Cradle to Cradle NGO, eröffnete den Tag und übergab das Wort an Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-Aufseß, Leiter des TU-Fachgebiets Strategische Führung und Globales Management. Gleich zu Beginn des Symposiums wurde die Notwendigkeit betont, sich vom traditionellen, linearen Wirtschaftsmodell zu lösen. Zu Knyphausen-Aufseß unterstrich die Bedeutung, die Begrenztheit unserer Ressourcen anzuerkennen, und zeigte mit einer kritischen Reflexion des Wachstumsbegriffs auf, dass ein geschlossenes, zirkuläres Wirtschaftssystem ohne Ressourcenverbrauch auskommen kann. Diese Vorstellung mag zunächst utopisch wirken, wirft jedoch zwangsläufig die Frage nach neuen Wirtschaftstheorien und Geschäftsmodellen auf.
Weniger schlecht ist nicht gut genug
Aus C2C-Sicht ist Wachstum etwas Positives. Prof. Dr. Michael Braungart, C2C-Vordenker, veranschaulichte den C2C-Ansatz anhand mehrerer Beispiele. Er hinterfragte den Begriff Klimaneutralität und plädierte dafür, durch unser Handeln etwas Positives zu Bewirken. „Nur wer nicht existiert, ist klimaneutral“, so Braungart. 50 % weniger schlecht würde die Klimakrise nicht aufhalten, sondern nur etwas verlangsamen. Dabei nutzte er das Beispiel des Kirschbaums, um Effektivität gegenüber bloßer Effizienz zu stellen. Ein Kirschbaum der jedes Jahr tausende Blüten und Früchte produziert, von denen nur wenige zu erfolgreichen Samen werden, zelebriert den Überschuss. Jedoch entsteht dabei kein Müll, sondern nur Nährstoffe für Neues.
Die Project Pitches
In den folgenden Project Pitch Sessions präsentierten 10 Akademiker*innen ihre Forschung zu C2C. Die Bandbreite reichte von der grundlegenden Neudefinition des Recycling-Konzepts über die Implementierung zirkulärer Geschäftsmodelle in Start-ups bis hin zu der Entwicklung von Entscheidungshilfen für zirkuläres und emissionsarmes Bauen. Die Vielfalt dieser Ansätze unterstreicht die Relevanz von C2C in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen.
Kreislaufwirtschaft ganzheitlich denken
Der erste Tag fand seinen Abschluss mit einem digitalen Gruß von Ken Webster, Fellow am Cambridge Institute for Sustainability Leadership. Er betonte, dass die Circular Economy oft fälschlicherweise auf Reduzieren und Wiederverwenden beschränkt werde, wodurch der notwendige Systemwandel aus dem Blick gerate. Webster kritisierte die Grundannahmen der Ökonomie des 20. Jahrhunderts: Ressourcen würden als gegeben betrachtet, Geld auf den Tausch reduziert und Lieferketten stark vereinfacht. Dieses Weltbild führe zu einer Realität, die auf Bilanzierung und Extraktion ausgerichtet sei und damit im Widerspruch zu lebenden Systemen stehe. Er plädierte für einen systemischen Wandel hin zu öko-effektiven Ansätzen. Zwar gewinne die Kreislaufwirtschaft politisch an Bedeutung, doch bestehe die Gefahr, dass der umfassende Anspruch verloren gehe und lediglich Recycling als Abfallmanagement gefördert werde. Webster unterstrich die Notwendigkeit neuer Denkweisen im Systemdesign sowie überzeugender Zukunftsbilder, um den Wert einer zirkulären Wirtschaft zu vermitteln.
Forschungsfragen im Fokus: Parallele Diskussionsrunden zu C2C
Der zweite Tag des Forschungssymposiums entfaltete sich in drei parallelen Diskussionsrunden, die ein breites Spektrum aktueller Forschungsfragen rund um Cradle to Cradle und die Circular Economy beleuchteten. Im Panel zu Cradle to Cradle und Business wurden die Rolle der Elektronik-Wertschöpfungskette, das Potenzial von Künstlicher Intelligenz im Bausektor sowie die Integration von Lebenszyklusanalysen in die Gebäudeplanung diskutiert. Die Session zu Geschäftsmodellen und Produktdesign thematisierten unter anderem eine kreislauffähige Schultasche, die Bedeutung von Logistikzentren für die Wiederverwendung von Baumaterialien sowie eine Analyse von Circular-Economy-Unternehmen in Deutschland. Die dritte Diskussionsrunde widmete sich der Vermittlung komplexer Inhalte rund um Circular Economy mithilfe spielerischer Methoden und Bildungsstrategien. Deutlich wurde, dass häufig Widersprüche zwischen politischen Rahmenbedingungen, gegenwärtigen Marktmechanismen und der tatsächlichen Umsetzung zirkulärer Ansätze auf Design-, Infrastruktur- und Konsumebene bestehen. Als mögliche Lösungsansätze wurden unter anderem gezielte Anreize für Herstellende und Konsument*innen, funktionierende Rücknahmesysteme sowie Vertrauen in neue Technologien wie KI genannt.
Öko-effektive, frugale Innovation
Die letzte Keynote des Symposiums hielt Prof. Cornelius Herstatt, Leiter des Instituts für Technologie- und Innovationsmanagement der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH). Unter dem Titel „Öko-effektive, frugale Innovation: Ein Ausweg aus dem Dilemma zwischen Wachstum und Umweltschutz?“ warf er einen kritischen Blick auf die Verknüpfung von Wohlstand und Ressourcenverbrauch. Prof. Herstatt sprach sich dafür aus, nicht nur an der Effizienz bestehender Systeme zu arbeiten, sondern neue Geschäftsmodelle und Denkweisen zu entwickeln, die ökologische Materialien und kreislauffähige Prozesse von Anfang an mitdenken. Als Ansätze nannte er die Öko-Effektivität, etwa nach dem Cradle to Cradle-Prinzip oder der frugalen Innovation (Ansatz zur Reduktion von Kosten und Komplexität von Produkten und Prozessen mit Augenmerk auf Ressourcenschonung). Dabei betonte er, dass technologische Innovation allein nicht ausreiche: Es brauche kollektives Handeln, politischen Willen und eine grundlegende Neuausrichtung unseres Verständnisses von Wohlstand.
Abschließend richteten Nora Sophie Griefahn und Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-Aufseß den Blick auf die Zukunft: Die Kreislaufwirtschaft ist kein Ziel an sich, sondern ein Mittel für positiven Wandel. Entscheidend ist das „Warum“ unseres Handelns.