Baubündnistreffen am Bodensee
Aus allen Ecken Deutschlands waren Mitglieder des BBA mit Freude der Einladung zu einem arbeitsintensiven Wochenende gefolgt. Nach dem Auftakt am 16. März auf dem Symposium „Zukunft findet Stadt – Neue Ideen für den nachhaltigsten Stadtteil der Welt“ wurden am darauffolgenden Wochenende konkrete Handlungsempfehlungen aus Cradle to Cradle-Perspektive für das ‚nachhaltigste Quartier der Welt“ entwickelt. Im April sollen diese in Konstanz weiter entwickelt und geplant werden.
Zu diesem großartigen fachlichen Einstieg für das Treffen lud Dr. Françoise Wilhelmi de Toledo, Beirätin des Cradle to Cradle e.V., zu sich nach Überlingen ein. In der Klinik Buchinger-Wilhelmi wurde uns ein wunderschöner Arbeitsraum mit der wunderbarsten und gesündesten Rund-um-die-Uhr-Verpflegung für das ganze Wochenende zur Verfügung gestellt. Es war eine unglaubliche Bereicherung für das Treffen, so herzlich willkommen geheißen zu werden wie von Françoise. Danke!
Samstag morgens um 9 Uhr ging es dann los, bei Sonnenschein und mit Blick auf den Bodensee. 25 hochmotivierte Mitglieder aus dem Bündnis, aus der Regionalgruppe und ein paar begeisterte Teilnehmende des Symposiums vom Vortag kamen wieder zusammen, lernten sich kennen und fanden sich in fünf Arbeitsgruppen wieder. Aufbauend auf den Kriterien der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) und den Einsichten der Studierenden der HTWG aus einem Semesterprojekt, ging es los. Es entstand ein Ort, an dem die unterschiedlichsten Disziplinen und Individuen ein gemeinsames Ziel verfolgten: Planungskriterien für ein Stadtquartier mit positivem Fußabdruck, groß gedacht und konkret aufs Blatt gebracht. Darin waren sich alle einig. Praktiker*innen und Wissenschaftler*innen, alles in allem enthusiastische Visionär*innen aus Architektur, Stadtplanung, Ingenieurwesen, Psychologie, Philosophie, Umwelt- und Zukunftsforschung nahmen ihre Ideen und Positionen konstruktiv auseinander und fügten sie zu ambitionierten, aber durchaus realisierbaren Empfehlungen wieder zusammen.
Um einen kleinen Einblick zu bekommen, welche inspirierenden Ergebnisse dabei entstanden sind, folgen Ausschnitte aus den Arbeitsgruppen:
Das Team ‚Ökonomische Qualität’ arbeitete heraus: „Eine erste Phase der Visionsfindung und der Entwicklung des Local-Live-Happiness-Index (LLHI) setzten wir jeder Planung, Umsetzung und Interaktion voraus. Wichtigste Visionen für uns sind die Entwicklung eigener Indikatoren für ökonomische Qualität mit Hinblick auf die standortspezifische Einzigartigkeit des Herstellungs-Kontextes und der Nutzungsszenarien. All diese Indikatoren wie der LLHI sollten darauf abzielen, nicht nur Kosten/Schäden/Risiken zu vermeiden, sondern besonders in langfristiger Perspektive eine Vermehrung der positiven Effekte und der Erweiterung der profitierenden Gruppen zu erreichen.“
Die Gruppe ‚Prozessqualität’ gibt Folgendes mit auf den Weg: „Zukünftige Planungsteams von Stadtquartieren müssen statt integral inklusiv werden! Nutzer*innen des Quartiers, Umbau- und Demontageplaner*innen, Gebäudetechniker*innen, Biodiversitätsplaner*innen, Kultur-, Bildungs-, Digitalisierungs- und Upcyclingbeauftragte müssen von Beginn an für das Quartier mitplanen und eine dauerhafte Verantwortlichkeit für die Bereiche sicherstellen können. Die Mehrkosten der damit entstehenden Leistungsphase 0 amortisieren sich durch weniger Planungsänderungen in späteren Leistungsphasen und vor allem durch Einsparungen während der Nutzung und Demontage.“
Im Team ‚Ökologische Qualität’ werden dem Planungsteam von morgen die folgenden Fragestellungen mit auf den Weg gegeben: „Wurde die Biodiversität im Vergleich zum Zustand vor der Bebauung gesteigert? Wird mehr regenerative Energie erzeugt als Energie benötigt wird? Werden mehr Grünflächen (Fassaden/Dächer/Freiräume/Biotope) geschaffen und erhalten als zuvor vorhanden waren? Sind die Gebäude und die verwendeten Rohstoffe/Bauteile wiederverwendbar? Sind die Baumaterialien schadstofffrei und gesund? Wird mehr CO2 gebunden als ausgestoßen? Wird Trinkwasser produziert und Abwasser gereinigt? Werden Nährstoffe (technische und biologische) zurückgeführt? Wird die Luftqualität innen und außen gesteigert? Gibt es genügend Ruhe und Erholung?“
Das Team ‚Technische Qualität’ fasst im Bereich Wertstoffmanagement zusammen: „C2C-Kriterien sollten hier ganz zentral und konkret definiert werden. Insbesondere zum Thema Wertstoffmanagement fließen unterschiedliche Ebenen zusammen, die auf Quartiersebene alleine nicht beantwortet werden können: 1. Globale Ebene (global vorhandene Ressourcen, im Besitz der Menschheit müssen organisiert und erhalten werden) 2. Städtebauliche Ebene (Quartier, Städtische Infrastruktur mit Ver- und Entsorgung) 3.Bauliche Ebene (Gebäude) 4.Produktebene (Verpackung etc., Landes- und Bundesebene).
Ziel beim Wertstoffmanagement ist die Nachweisumkehrung: nur bewiesen gesunde und kreislauffähige Materialien und Produkte dürfen zum Einsatz kommen. Ökobilanzierung und Lebenszykluskosten sollten dem Bauantrag beigelegt werden. Die Gemeinde sollte eine Stelle einrichten bei der zusätzlich eingereichte Dokumente überprüft werden. Schadstoffmessungen müssen für jedes Gebäude standardisiert werden. Schadstoffgrenzwerte müssen begrenzt werden mit dem Ziel Schadstoffe komplett zu eliminieren und alle Inhaltsstoffe transparent zu machen. Grundsätzlich sind upcyclingfähige Baustoffe zu bevorzugen.“
Für die Gruppe ‚Soziokulturelle Qualität’ gilt „Spaß ist erlaubt!“. Ihr Ziel: „Ein Cradle to Cradle-Quartier bietet ein gesundheitsförderndes und mitgestaltbares Umfeld für Mensch und Natur. Alle Elemente haben eine umfassende Qualität, fördern soziale und biologische Diversität und bieten einen Mehrwert – auch für umliegende Quartiere.” Das bedeutet im Einzelnen: Begrünung, Regenwasserführung/-speicherung, Verschattung, Lärmschutz und Windschutz verbessern einerseits das lokale Klima, haben aber andererseits auch immer einen zusätzlichen Nutzen für das Quartiersleben. Durch flexible Räume und soziale Infrastrukturen entstehen Mehrwerte für das Quartier selbst und seine Nachbarschaften. Mit den gewählten Eigentums- und Nutzungsformen werden dauerhaft soziale und bauliche Vielfalt gesichert. Lebendiges Stadtleben ist per se kein Lärm; Orte, an denen man laut sein kann, sind gewünscht! Die baulichen Strukturen befördern deshalb, dass Ruhe und Lebendigkeit ihren Platz finden. Und als Vision gilt: „Kostenloses Wohnen gegen die Abgabe von Fäkalien als Dünger. Im Stadtquartier entstehen neue Arten des Zusammenlebens.“
Die gesamten Planungskriterien für Stadtquartiere mit positivem Fußabdruck, inklusive der Roadmaps mit Realisierungsvorschlägen werden in den nächsten Wochen veröffentlicht und fließen am 18. April in Konstanz bei der Planungswerkstatt mit ein. Dafür setzen sich weiterhin Nicole Conrad, Gründerin der Regionalgruppe, und die Mitglieder der RG Bodensee ein.
An dieser Stelle – Danke für dieses traumhafte Wochenende bei euch, einem rundum gelungenen Symposium, der Organisation des Bündnistreffens und der liebevollen Beherbergung von einem Dutzend Cradler*innen in eurem Zuhause.
Überwältigt von so einem positiven Treffen haben an diesem Wochenende auch die Bündnissprecher Johannes und Andreas die Antwort auf ihre Frage bekommen, wieso um alles in der Welt sich 25 Leute (und sie selbst) ihre Freizeit und Nächte um die Ohren schlagen, um freiwillig ‚zu arbeiten’! Und woher dieses verrückte Vertrauen in sie und diese Gruppe kommt! Engagiert für eine ökologische und gerechte Zukunft, ein großes Ziel vor Augen, das nur gemeinsam erreicht werden kann – das alles ergibt Sinn und der Local-Live-Happiness-Index steigt.
Hipp, hipp, hurra auf das nächste BBA-Treffen in Coburg, München, Jena; die kommenden Business-Stammtische; weitere Vernetzung mit den Praktiker*innen; eine eventuelle Co-Planung von Pfahlbauten in Radolfzell und den Prototypen für ein Festival mit positivem Fußabdruck für 2019.
Wer das BBA unterstützen, mitmachen oder den Newsletter erhalten möchte, findet die Infos und Kontakte hier: www.c2c-ev.de/bau
weitere Details zum Wettbewerb finden sich unter:
www.wettbewerb-zukunftsstadt.de
www.zukunftsstadt-konstanz.de
Heike Dietz, Bündnis Bau & Architektur