Am Mittwoch, dem 30. März legte die EU-Kommission ihren Vorschlag vor, wie eine flächendeckende Kreislaufwirtschaft in Europa etabliert werden soll. Neue Vorschriften für fast alle Waren und eine Senkung des Energie- und Ressourcenverbrauchs sind geplant. Auch aus Cradle to Cradle-Sicht läuft vieles richtig – zwei wichtige Punkte fehlen jedoch.
Frans Timmermans hebt sein Smartphone symbolisch in die Höhe. „Bei dem da kann ich nicht mal den Akku ersetzen, ohne irgendwo hin zu müssen, wo sie es komplett auseinandernehmen“, so der stellvertretende EU-Kommissionschef und Green Deal-Beauftragte. Das Problem, welches er auf der Pressekonferenz zum „Circular Economy Package” anspricht, ist wohl vielen Menschen bekannt. Oft lohnt es sich mehr ein neues Handy zu kaufen als das alte zu reparieren. „Das sollte so sein wie früher: alter [Akku] raus, neuer rein.“ Gut für Timmermans: Seine Nostalgie der einfachen Reparatur von Elektrogeräten könnte schon bald wieder Realität sein.
Mit ihren Vorschlägen für ein Circular Economy-Paket will die Europäische Kommission – wie in ihrem Aktionsplan für eine Circular Economy angekündigt – nahezu alle Produkte auf dem EU-Markt langlebiger machen und fordert, dass sie leichter repariert, wiederverwendet oder recycelt werden können. Die am 30. März in Brüssel vorgestellten Pläne sollen die Weichen für eine Kreislaufwirtschaft stellen und sehen weitreichende Maßnahmen für alle Erzeugnisse außer Lebensmittel, Tierfutter und Medikamente vor. Das vorgelegte Paket besteht im Kern aus vier Aspekten. Neben einer überarbeiteten Ökodesign-Richtlinie, die Kriterien für die Design-Phase von Produkten vorschreibt, wurden Übergangsmaßnahmen vorgestellt, die den Energieverbrauch vor allem von Elektronikgeräten erfassen und reduzieren sollen. Der dritte Aspekt, die EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien, schreibt eine Reihe sozialer, ökologischer und zirkulärer Standards für Textilprodukte spätestens ab 2030 vor. Der letzte Kernaspekt bezieht sich auf die Bauindustrie. Diese ist laut der EU für 40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Eine überarbeitete Bauprodukteverordnung soll Bauprojekte künftig recycelbar, langlebiger und besser reparierbar machen. Mit den Sektoren Textil und Bau geht die EU zwei Wirtschaftsbereiche an, die für einen sehr großen Teil der Klima- und Ressourcenprobleme verantwortlich sind.
„Es ist höchste Zeit, dass wir das Modell der Wegwerfgesellschaft ad acta legen, das für unseren Planeten, unsere Gesundheit und unsere Wirtschaft so schädlich ist. Die heute vorgelegten Vorschläge stellen sicher, dass in Europa nur die nachhaltigsten Produkte angeboten werden“, so Timmermans. „So können Verbraucherinnen und Verbraucher ihren Energieverbrauch senken und kaputte Produkte reparieren lassen, anstatt sie zu ersetzen.“
Ist Langlebigkeit die Lösung?
Die erweiterte Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte sieht konkrete Maßnahmen in der Designphase von Produkten vor. Da diese Phase laut der EU für bis zu 80 Prozent der Umweltauswirkungen eines Produktes maßgeblich ist, soll künftig bereits hier angesetzt werden, um Produkte langlebiger, reparierbar und recycelbar zu machen. Zudem sollen Produkte energie- und ressourceneffizient designt werden.
Bereits in der Designphase von Produkten anzusetzen, ist auch aus Cradle to Cradle-Sicht elementar. Nur wenn Produkte für ein späteres ganzheitliches Recycling designt werden, ist dieses auch umsetzbar. Wichtig ist jedoch, dass für jedes Produkt ein konkretes Nutzungsszenario entworfen wird. Was passiert mit den Bestandteilen eines Produktes nach der Nutzung? Muss das Material biologisch abbaubar sein oder können die Komponenten in einem technischen Kreislauf zirkulieren? All dies sind Fragen, die im Voraus beantwortet und beim Design berücksichtigt werden müssen. Ein Handy, das fünf mal repariert wird und nach langjähriger Nutzung im Elektroschrott landet, kann höchstens eine Übergangslösung sein, nicht aber ein langfristiges Ziel.
Das gemütliche Abladen heutiger Probleme auf den Schultern künftiger Generationen darf nicht der Anspruch der EU sein. Aus genau diesem Grund ist es wichtig, dass das Circular Economy Package um das Kriterium der Materialgesundheit ergänzt wird. Produkte müssen aus ausschließlich gift- und schadstofffreien Materialien hergestellt werden, die in ihrem Nutzungsszenario nicht nur nicht schädlich, sondern gut für Mensch und Natur sind. Nur so kann gewährleistet werden, dass kein künftiger Schaden entsteht und Materialien in geschlossenen Kreisläufen zirkulieren können.
Transparenz durch digitale Produktpässe
Ein weiterer Vorschlag des Circular Economy Package sind digitale Produktpässe. So können Produkte leichter repariert oder recycelt und bedenkliche Stoffe einfacher entlang der Lieferkette zurückverfolgt werden. Aus C2C-Sicht ist es richtig, dass die EU Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft zusammendenkt. Produktpässe sorgen für Transparenz und schaffen die Möglichkeit, die Qualität und Quantität verschiedener Materialien lückenlos nachvollziehen zu können. Beides ist essenziell für die Umsetzung geschlossener Materialkreisläufe. Wichtig ist jedoch, dass Produktpässe konsequent in allen Branchen und bei allen Produktarten eingeführt werden. Vom T-Shirt bis zum Containerschiff.
Der Vorschlag der EU-Kommission ist schon jetzt mehr, als bisher in Sachen Klima-, Umwelt- und Ressourcenpolitik da war. Probleme wurden erkannt und sollen mit sinnvollen Maßnahmen behoben werden. Es geht jetzt darum, aus einer linearen eine zirkuläre Wirtschaft zu machen –.und genau das ist auch unser Ziel als NGO. Im nächsten Schritt muss sich die EU weg von ihrer “weniger schlecht”-Mentalität hin zu positiven Zielsetzungen orientieren: Kreislauffähige Produkte, die aus gesunden Materialien bestehen und einen positiven Impact haben.
Das vorgestellte Maßnahmenbündel zeigt, dass die EU es mit der konkreten Umsetzung des Circular Economy Action Plan ernst meint. Wichtig ist jedoch, dass neben ressourcenintensiven Branchen, wie der Bau- und Textilindustrie, alle Bereiche berücksichtigt werden. Zudem muss der Plan um den wichtigen Aspekt der Materialgesundheit ergänzt werden. Wenn dies geschieht, kann der Plan einen starken Impact haben und das Zeitalter des zirkulären Wirtschaftens einläuten. Dafür ist es auch höchste Zeit.