Reisebericht eines C2C-Botschafters beim Laborkonzert
Da stehe ich wieder – C2C-Botschafter (kurz “Boti” genannt) an einer “Nährstoffinsel” auf dem Tempelhofer Feld und erläutere Konzertbesucher*innen von Die Ärzte, welche zukunftsweisenden Innovationen auf den Konzerten umgesetzt werden. Einschließlich der Nährstoffinsel selbst, wo Abfall nicht weggeworfen, sondern als Ressource gesammelt wird.
Hervorragende Webseiten berichten von den Zielen des Projekts, der Umsetzung einzelner Cases und der Wirkung des Labors: Labor Tempelhof, Guidebook etc. Mit diesem Beitrag möchte ich als Boti und langjähriger ehrenamtlich Aktiver der Cradle to Cradle NGO von meiner ganz persönlichen Erfahrungen mit dem Labor Tempelhof berichten.
Wie komme ich eigentlich dazu, auf einem Ärzte-Konzert Menschen von Cradle to Cradle zu erzählen?
Nachdem ich 2016 in einem Podcast mit Michael Braungart das Prinzip Cradle to Cradle (C2C) kennengelernt hatte und erfuhr, dass ich mich in einer NGO für das Designkonzept und die Denkschule einsetzen kann, fand ich mich unmittelbar in der Regionalgruppe Frankfurt (Main) wieder. Wenige Wochen später besuchte ich den C2C Congress, auf dem Bela B von Die Ärzten für den musikalischen Abschluss auf der Afterparty sorgte.
Veranstaltungen wie der Congress, Stände auf Messen oder Ansprache in die lokale Politik bringen unsere Gedanken voran. Gute Cradle to Cradle Beispiele aus verschiedensten Branchen – von Reinigungsmitteln und Verpackungen über Druckmaterial und Textilien bis hin zum Bausektor – helfen uns in unserer Bildungs- und Vernetzungsarbeit, denn sie zeigen, was Cradle to Cradle konkret leisten kann. Nur wie erreichen wir schneller viele Menschen?
Labor Tempelhof 2022 – Die erste Welle
Eine der Antworten von C2C NGO auf diese Frage heißt Labor Tempelhof. Unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit wurden wir Ehrenamtlichen 2022 gefragt, ob wir uns als Botschafter*innen für das Labor Tempelhof engagieren wollen. Wie viele andere konnte ich nicht Nein sagen. Wie fantastisch ist das denn? Vier Konzerte mit Tote Hosen und Die Ärzte mit einer Menge Anwendungsbeispielen (Cases) für Cradle to Cradle auf dem Gelände, und wir können potentiell vier mal 60.000 Menschen erreichen!
Nach spannenden Tagen im Cradle-Camp, wo wir uns tiefer mit den Cases auseinandergesetzt haben, ging es Freitag ab auf das Tempelhofer Feld.
Das Essen wurde beim ersten Labor Tempelhof noch auf bioabbaubaren Schalen und Servietten gereicht, welche die Besucher*innen an den „Nährstoffinseln“ sortenrein von Kunststoffen und Restmüll trennten, unterstützt und angeleitet von uns Botis. Dabei erläuterten wir bei Interesse auch die Cases und luden in das Cradle Village, das C2C-Ausstellungszelt, ein.
2022 war die bioabbaubare Pommesgabel aus Reststoffen der Getreideverarbeitung noch ein Prototyp im Cradle Village. Das Bier aus gerettetem Biobrot wiederum gibt es unabhängig vom Konzert zu kaufen. Weniger Fleisch, ÖPNV und Radverkehr wurden gefördert und erneuerbare Energie genutzt. Ein nach Cradle to Cradle hergestelltes Ärzte-Fanshirt habe auch ich in Gebrauch.
Die große Party mit den Hosen und der “Besten Band der Welt” war für uns ein riesiger Spaß und wirkte medial. Das Guidebook für die Veranstaltungsbranche wurde zum hervorragenden Wissensspender für alle, die dem Aufruf “Bitte kopieren!” folgen möchten.
Zurück zuhause im Rhein-Main-Gebiet wirkt Labor Tempelhof weiter
Den Schwung nahmen ich und andere Botis mit nach Hause in das Rhein-Main-Gebiet. Unsere Regionalgruppe lud zu einem Vortrag zu „Nachhaltig Feiern“ auf Grundlage des Labor Tempelhof ein. Zu unserer Freude sind einige Vertreter*innen des Mainzer Stadtrats unserer Einladung gefolgt, sowie Katja Mailahn, die Geschäftsführerin der städtischen mainzplus Citimarkting GmbH. Da mainzplus nach Möglichkeiten zur nachhaltigen Eventgestaltung suchte, ist sie auf das Labor Tempelhof gestoßen.
Mainzplus stieg 2023 in die vom Labor Tempelhof inspirierte Konzertreihe #Zukunftsmucke Good Vibes aus Mainz ein. Unsere C2C-Regionalgruppe informierte beim Auftakt-Konzert von Romano im Kulturzentrum KUZ an einem C2C-Stand über die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Veranstaltungen. Im Mai 2024 hielt Tim Janßen einen Vortrag vor dem zweiten Konzert der Reihe mit Ian Hooper, dem Frontmann der Mighty Oaks.
Auf unserer Cradle to Cradle Akademie 2024 in Mainz diskutierten wir mit Katja Mailahn und dem Präsidenten des Mainzer Carnevals Vereins (MCV) Hannsgeorg Schöning das Thema „Mainz goes Cradle to Cradle – vom Rathaus auf die Straßen der Stadt“. Der MCV ist Ausrichter der Straßenfastnacht der Landeshauptstadt. Die wiederum hat wesentlich mehr Besucher*innen als z. B. Rock am Ring, das auch in Rheinland-Pfalz stattfindet. Das Labor Tempelhof wirkt also kontinuierlich nach und ist stets eine gute Grundlage für den Austausch mit Veranstalter*innen von Kulturevents.
Labor Tempelhof 2024 – Die zweite Welle
Im August 2024 stehe wieder als Boti an einer Nährstoffinsel. Was ist neu? Was bewährt?
Bewährt ist eine inspirierende Gruppe von Botschafter*innen, herzliche Hauptamtliche und die “Beste Band der Welt”. Weiterhin gibt es Brotbier, gutes Essen und die Trockentoiletten von Finizio, um Fest und Flüssig dem Nährstoffkreislauf zuzuführen. Die Konzepte zur Mobilität und zur Energieversorgung wurden verfeinert.
Neu ist, dass die erwähnte bioabbaubare Pommesgabel kein Prototyp mehr ist, sondern in tausendfacher Ausführung an den Ständen gereicht wird. Entsprechend oft führe ich als Botschafter dieses Gespräch an der Nährstoffinsel: “Ist doch Plastik!“ – „Scheint so. Is‘ aber nicht. Bitte in diese Tonne“.
Neu ist die breite Nutzung von pfandfreiem Mehrwegbesteck und Mehrweggeschirr, das neben Bionährstoff und Restmüll auch an unseren Nährstoffinseln abgegeben wird. Aus praktischen Gründen sind alle Sammelbehälter an den Nährstoffinseln klassische Mülltonnen diverser Farben, woran sich viele Besucher*innen in bester Absicht orientieren. Labor heißt lernen und in Zukunft besser machen. Was ich bei meinem Boti-Einsatz bemerke, kann ich an die NGO zurückspiegeln, für das nächste Labor Tempelhof. Zum Beispiel, dass die Einheit aus Sammelbehälter und Beschriftung eindeutig werden muss. Ich höre aber viel grundsätzliches Lob der Fans zum Mehrwegsystems.
Kostenloses Wasser auf Events ist ein toller Case, aus sozialen und ganz praktischen Erwägungen. Gerade am 32 Grad heißen Sommer-Samstag helfen die Wasserstationen gegen Dehydrierung.
Neu sind auch ein paar Motive der Fan-Shirts aus 100 Prozent C2C-Textilien. Davon habe ich mir ein weiteres mitgenommen, neben vielen schönen Erinnerungen.
Großes Danke an die Cradle-Community im Haupt- und Ehrenamt und an die tollen Gast-Botis.
Fetten Dank an Die Ärzte und ihre Fans für die Unterstützung guter Initiativen wie Viva con Agua, Cradle to Cradle, die eindeutige Positionierung gegen Nazis und für den Spaß mit eurer Musik!
Thorsten Noll
Ehrenamtlicher C2C-Regionalgruppensprecher Mainz-Wiesbaden & Wiederholungs-Boti