Wir haben mit Charlotte Stiefel, Gründerin und Verlegerin vom Neunmalklug Verlag, darüber gesprochen, warum der Kinderbuchverlag C2C-Bücher herstellt, warum “konventionelle” Bücher schädlich für die Umwelt und uns Menschen sind und ob es in der Verlagswelt ein Umdenken gibt.
Wie bist du auf die Idee gekommen, C2C-Kinderbücher herzustellen und zu vertreiben?
Ich bin gelernte Buchhändlerin und habe Verlagswesen studiert. Als meine Nichte vor inzwischen fast 10 Jahren auf die Welt kam, wollte ich ihr etwas Sinnvolles und nachhaltig Produziertes schenken. Es sollte keine Schadstoffe enthalten und ohne Bedenken auch mal mit dem Mund erkundet werden dürfen. Am liebsten natürlich ein Buch. Aber ich fand kein Bilderbuch für die Kleinsten, das meine Ansprüche an eine nachhaltige und ungiftige Herstellung erfüllte.
Als ich dann Ernst Gugler, einen Pionier in Sachen nachhaltigem Drucken, kennenlernen durfte, war klar, dass ich einfach selbst Bücher verlegen muss – und zwar Cradle to Cradle zertifiziert.
Wie unterscheiden sich Eure nach C2C-Kriterien hergestellten Bücher von anderen Büchern?
Viele Bilderbücher werden immer noch mit Farben auf Erdölbasis und nicht nachhaltig zertifiziertem Papier in Asien hergestellt. Es werden Lacke und Folien eingesetzt, die weder für die Umwelt noch für die Gesundheit gut sind.
Alle Inhaltsstoffe unserer Bücher wurden auf ihre Gesundheits- und Umweltverträglichkeit getestet. Sie enthalten keine Schadstoffe und lassen sich irgendwann perfekt recyclen, ohne giftigen Klärschlamm zu hinterlassen. So bleiben alle Materialien im Kreislauf, es werden Ressourcen geschont und Müll vermieden.
Und wenn ein Kleinkind sie mit allen Sinnen erkunden möchte, muss ich mir als Eltern keine Sorgen um Schadstoffe wie Weichmacher und Azopigmente machen.
Welchen Herausforderungen seid ihr bei der Produktion von C2C-Produkten begegnet und wie habt ihr sie gemeistert?
Zuerst einmal war es nicht von Anfang an möglich, Pappbilderbücher nach C2C-Kriterien zu produzieren. Unser erstes Buch war daher erst einmal ein Buch mit dünnen Seiten und einer noch nicht zertifizierten, aber biologisch abbaubaren Folie.
Erst ein Jahr später konnten wir gemeinsam mit Gugler die weltweit ersten C2C-zertifizierten Pappbilderbücher produzieren.
Hin und wieder gab es Probleme in der Bindung und wir mussten neu drucken lassen. Betroffene Exemplare verkaufen wir nun etwas günstiger, da ein Makulieren – also vernichten – für uns nicht in Frage kommt.
Viele kleine Verlage lassen in Kleinauflagen im Digitaldruck produzieren. Das ist nach C2C noch nicht möglich. Daher gehen wir mit einer relativ hohen Auflage auf den Markt, müssen die (höheren) Kosten dafür vorstrecken und brauchen ein paar Jahre, um sie wieder reinzuholen.
Welche Herausforderungen oder Aspekte sind gerade bei der Herstellung von Büchern besonders?
Die größte Herausforderung sehe ich darin, auf dem Markt zu bestehen. Die Konkurrenz an Verlagen und den jährlich erscheinenden fast 90.000 Neuerscheinungen ist endlos. Zudem ist die Gewinnspanne in der Buchbranche sehr gering.
Aktuell machen es uns die Papier- und Rohstoffkrise sowie die gestiegenen Gaskosten schwer. Für uns Hersteller*innen heißt es nun langfristig planen und leider auch Produktionstermine verschieben und in der Ausstattung zurückschrauben.
Eure Bücher sind kompostierbar und können nach mehrmaligem Recycling in die Biosphäre zurückgeführt werden. Wie stellt Ihr Euch das Leben Eurer Bücher vor?
Eigentlich ist es viel zu schade, Bücher zu vernichten. Ich bringe das jedenfalls nicht übers Herz.🙂
Falls es aber wirklich mal nicht mehr anders geht, sollten die Bücher lieber ins Altpapier und dabei helfen, langfristig sauberes Recyclingpapier herzustellen.
Wie nachhaltig ist denn die konventionelle Buchbranche? Spielt da das Thema Nachhaltigkeit und Cradle to Cradle schon eine wichtige Rolle?
In den letzten 5 Jahren hat sich einiges getan. Bei der Gründung von neunmalklug gab es wirklich nur ein paar sehr wenige Buchreihen, die auf (braunem) Recyclingpapier mit Pflanzenölfarben produziert wurden. Cradle to Cradle war so gut wie unbekannt.
Inzwischen gibt es aber immer mehr Verlage, die zumindest einzelne Titel nach C2C drucken lassen. Irgendwas mit “nachhaltig” macht inzwischen fast jeder Verlag und sei es nur der “klimaneutrale Druck”.
Und jetzt noch ein Blick in die Zukunft! Wie sieht es im Neunmalklug Verlag in 5 oder 10 Jahren aus?
Wir werden weiterhin langsam wachsen, denn von der Überproduktion an jährlichen Neuerscheinungen halten wir nichts. Lieber ein paar wenige langfristig aktuelle Bilderbücher.
Die Konkurrenz wird natürlich größer, aber schließlich war es auch mein Wunsch, dass die Buchbranche endlich grüner wird.
Und wir bleiben unserer ganzheitlich nachhaltigen Ausrichtung treu und werden trotz steigender Kosten nicht mit günstigeren Drucken quersubventionieren.