Die Jugendherberge war gebucht, der Koch hatte die Bohnen fürs vegane Chili schon gewässert und die Geschäftsstelle war voller Vorfreude. Dann veröffentlichte die Bundesregierung die ersten Leitlinien, um die Verbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Und wir haben uns in Folge dafür entschieden, die Plenum Jahreskonferenz – das jährliche Treffen der Sprecher*innen unserer ehrenamtlichen Initiativen – abzusagen. Damit ist diese Geschichte aber noch nicht zu Ende. Denn anschließend passierten ein paar ganz wunderbare Dinge.
Eine lange geplante Veranstaltung abzusagen ist ein schwieriger Schritt. Vor allem, wenn es um die Plenum Jahreskonferenz geht, das jährliche Treffen der Sprecher*innen unserer ehrenamtlichen Initiativen. Das sind #diesejungenLeute, die unsere Arbeit für einen großen positiven Fußabdruck freiwillig und ehrenamtlich unterstützen und damit maßgeblich dazu beitragen, Cradle to Cradle in der Breite immer größer zu machen. Rund 800 Menschen engagieren sich in bundesweit gut 50 Regionalgruppen und Initiativen für eine echte Kreislaufwirtschaft nach Cradle to Cradle.
Sie bringen unsere Arbeit an jene Orte, die wir aus der Geschäftsstelle nicht erreichen – weil dafür unsere 20 Mitarbeiter*innen nicht ausreichen. Sie führen ihr Wissen in thematischen Bündnissen und Initiativen zusammen, sammeln Ideen und setzen Projekte um, von denen die Geschäftsstelle und andere Initiativen profitieren können. Und nun mussten wir ausgerechnet das Treffen derer, die diese ehrenamtlichen Gruppen zusammenhalten und mit ihrer Arbeit voranbringen, absagen. Allerdings nur das Treffen im echten Leben.
Lang lebe das Internet!
Auch wenn Corona derzeit unser Leben bestimmt, ist und bleibt Cradle to Cradle eine Lösung für die Umwelt- und Klimaprobleme dieser Welt. Wir hören daher nicht auf, unsere Botschaft nach außen zu tragen. Und wir wollen nicht damit aufhören, uns über unsere Arbeit für einen großen positiven Fußabdruck auszutauschen. Das sehen glücklicherweise auch unsere ehrenamtlich Aktiven so. Also haben wir binnen drei Tagen ein digitales Programm aufgesetzt, um genau das tun zu können. Das Internet, YouTube und Programme wie Zoom und Slido machten es möglich.
Am 14. März haben wir unsere Sprecher*innen also zum digitalen Plenum eingeladen. In der Videokonferenz, zu der sich Teilnehmer*innen aus der ganzen Republik zugeschaltet hatten, ging es zunächst um Erfolgsgeschichten aus den Initiativen. Durch den Austausch darüber sollen die Gruppen voneinander lernen können. Die Regionalgruppe Tübingen setzt bei ihren Infoständen beispielsweise ein Glücksrad ein, an dem Passant*innen nach C2C-Standard produzierte Produkte gewinnen können. Weil das Glücksrad Aufmerksamkeit weckt, steigt das Interesse an C2C Denkschule und Designkonzept. Eine Idee, die sich eindeutig zur Nachahmung empfiehlt. Die Regionalgruppe Kiel dagegen veranstaltete vor Monaten ein Netzwerktreffen für ansässige Unternehmen und Institutionen. Dieser Einsatz zahlt sich jetzt durch eine Einladung zur Kieler Woche aus, die jährlich ein Millionenpublikum an die Kieler Förde zieht. Die Regionalgruppe wird sich mit den Macher*innen der Kinderspielwiese auf der Kieler Woche darüber austauschen, welche gesunde Materialien nach C2C dort zum Einsatz kommen können.
Auch die thematisch organisierten Bündnisse verzeichneten im vergangenen Jahr Erfolge. Das Baubündnis hat sich in München beispielsweise mit den Architects for Future zusammengetan und Forderungen an den Münchner Stadtrat für eine Stadt der Zukunft formuliert. Diese sowie ein Leitfaden für Bauherr*innen, Architekt*innen und Planer*innen sind auf www.muenchen2020.org zu sehen. Die Vernetzung der Initiativen war eine weitere positive Geschichte beim digitalen Plenum. Das Bündnis für Gestaltung hat beispielsweise für das Bündnis Textil einen Flyer entworfen, die Kommunikation lief dabei rein über Telegram.
Gast aus der Politik
Im zweiten Teil des Abends war der SPD-Politiker Klaus Mindrup, Bundestagsabgeordneter für Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee, zu Gast im digitalen Plenum. Mindrup hat Biologie mit Schwerpunkt Ökologie studiert und war vor seiner Zeit im Bundestag stellvertretender Vorsitzender des Berliner Instituts für Umweltfragen. Zudem sitzt er im Aufsichtsrat der Wohnungsbaugenossenschaft Bremer Höhe, die derzeit erstmals ein Wohnprojekt in Holzbauweise umsetzt.
Mindrup plädierte im Gespräch mit Nora für eine Implementierung von C2C-Kriterien im Bauwesen. “Wir sind weit davon entfernt, Bauen ganzheitlich zu betrachten”, sagte er. Die Baunormen auf Bundesebene seien nur darauf ausgerichtet, den Energieverbrauch im Betrieb zu senken. Der ökologische Fußabdruck des gesamten Bauvorgangs sowie Themen wie Materialgesundheit und Rezyklierbarkeit von Gebäuden würden nicht ausreichend beachtet. Ähnliches beobachte er im Umgang mit Kohlenstoff. Dort agiere die Politik nach dem Quellenprinzip und nicht nach dem Verursacherprinzip. Zudem sei es ein Problem, “wenn man immer gegen einen Grenzwert arbeitet, statt zu sagen: Das Ziel ist es, klimapositiv zu sein”. Im Green Deal der EU-Kommission sehe er aber einen ganzheitlichen Ansatz. Der stehe im Gegensatz zu der bisherigen Herangehensweise, vor allem der deutschen Politik, Gesetze ständig nur zu ergänzen und stellenweise nachzubessern.
An dem Gespräch zwischen Nora Sophie Griefahn und Klaus Mindrup konnten auch die Sprecher*innen teilnehmen und entweder über Zoom oder Slido eigene Fragen stellen. Die europäische Politik, speziell der Aufschlag zur Kreislaufwirtschaft (LINK ZU UNSERER STELLUNGNAHME), sowie das Bauwesen standen dabei im Mittelpunkt. Etwa, wie das Bauwesen trotz noch fehlender Normen mit C2C-Bezug schneller in Richtung Klimapositivität gehen könne. Mindrups Antwort darauf: “Mit positiven Beispielen und unter Ausnutzung sämtlicher verfügbarer Förderprogramme vorangehen.”
Neben dem thematischen Input haben wir vom digitalen Plenum vor allem Eines mitgenommen: C2C NGO und ihr Ehrenamt sind auch in stürmischen Zeiten bereit und in der Lage, Cradle to Cradle voran zu bringen.