Im Rahmen unserer Eventreihe „Berlin, du bist so Cradlebar“ haben wir uns am 18. April in der Heinrich-Böll-Bibliothek darüber ausgetauscht, wie heute schon zirkuläre Druckmittel produziert werden können und welche Herausforderungen es gibt.
Nach der Begrüßung durch Nora Sophie Griefahn, geschäftsführende Vorständin C2C NGO und Danilo Vetter, Leiter der Stadtbibliothek Pankow, begrüßte die Bezirksbürgermeisterin von Pankow, Dr. Cordelia Koch, alle Anwesenden vor Ort und digital im Stream.
Sie berichtete vom Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung Pankow, als erster Berliner Bezirk dem Netzwerk C2C Regionen von C2C NGO beizutreten. Ziel sei es, Cradle to Cradle vor allem im öffentlichen Bau sichtbar zu machen. Es sei ihr persönliches Ziel, ökologischen, ressourcenschonenden Bau möglichst günstiger als herkömmlichen Bau zu gestalten, so Koch. Expert*innen und Gruppen mit Erfahrung in der Umsetzung solcher Projekte seien herzlich eingeladen, gemeinsam eine Strategie für den Bezirk zu entwickeln, um Cradle to Cradle zu implementieren.
Besonders bei der Papierproduktion und dem Druck ist die Anwendung des Cradle to Cradle Prinzip sehr wichtig, da Papierfasern hochwertige und langlebige Ressourcen sind. Bei richtiger Anwendung kann Holz, beziehungsweise Zellulose, als Ressource in der Kaskadennutzung sehr langlebig verwendet werden. So wird zum Beispiel aus einem Baum Holz, aus dem Holz ein Möbelstück, welches dann nach der Nutzung zu Papierfasern verarbeitet werden kann. Diese sind dann als Schreibpapier zu recyclen, bis die Papierfasern zu kurz werden. Daraufhin können sie zu Klopapier verarbeitet und anschließend als Nährstoff in die Natur zurückgeführt werden. Durch die Verwendung von kreislauffähigen Druckfarben und Leimen wird der Recyclingprozess vom Schreibpapier ermöglicht und der Abfall durch unnutzbare Fasern verringert.
Griefahn: „Viele dieser wertvollen Ressourcen gehen in die Wellpappenindustrie und beinhalten giftige Chemikalien! Am Ende der Recyclingkette entsteht immer noch Müll. Wir müssen umdenken: Wenn wir nach Cradle to Cradle vorgehen, dürfen keine giftigen Stoffe in die Produkte, sie müssen von Grund auf anders designt und konzipiert werden. Am Ende geht es darum, dass wir zusammen Produkte schaffen, die einen positiven Einfluss haben.”
Best Practice Impulse: Lenzing Papier und Vögeli AG
Gregor Pamminger, Leiter des Qualitätsmanagements von Lenzing Papier, und Markus Vögeli, Leiter Vögeli AG, berichteten von ihren Erfahrungen und unternehmerischen Tätigkeiten in den Bereichen kreislauffähiger Druck und Papierproduktion.
Vögeli ging insbesondere auf den Zusammenhang zwischen der Nutzung materialgesunder C2C-Druckfarbe und Papier-Recycling ein: „Der C2C Druck ist sehr wichtig, weil rund 90 % des Papiers gesammelt, aber nur circa zwei Drittel davon recycelt werden können. Der Rest, in Form giftiger Schlacke, muss entsorgt werden.“
Die Vögeli AG ließ 2016 ihre ersten Produkte vom Products Innovation Institute nach Cradle to Cradle zertifizieren, inzwischen liegt der Anteil Vögeli zufolge bei rund 75 %. In Zusammenarbeit mit dänischen Druckereien wurden ungefähr 30 Materialien nach dem Cradle to Cradle Prinzip gemeinsam entwickelt und zertifiziert. Als Beispiele nennt Vögeli Leime, Farben oder Karton, welche aus Produktionsüberschüssen hergestellt werden und für das Einbinden von Büchern verwendet werden können.
Lenzing Papier beschäftigt sich laut Pamminger seit 2008 damit, das Unternehmen und seine Produkte umweltfreundlich auszurichten. Sie produzieren 95.000 Tonnen Papier pro Jahr und haben eine eigene Altpapieraufbereitungsanlage in ihre Papierproduktion integriert. Bei der Herstellung von Recyclingpapier werde 15 % weniger CO₂ ausgestoßen, 78 % weniger Wasser verbraucht, sowie 68 % weniger Energie benötigt als bei der Produktion von herkömmlichem Papier, so Pamminger. Seit der C2C-Zertifizierung habe das Unternehmen den Wasserbedarf um weitere rund 30 % gesenkt.
Wie kann Papierproduktion und Druck nach C2C gelingen?
Da es keine Definition von „Ökodruck“ gibt, hält Vögeli die Vorgaben der C2C-Zertifizierung für sehr sinnvoll: Sie machten die nachhaltige Verträglichkeit der Produkte messbar indem sie konkrete Qualitätsvorgaben, wie beispielsweise die Verwendung von ausschließlich positiven Materialien, festlegten. Das sei aus seiner Sicht zielführender als nur festzulegen, welche Materialien nicht verwendet werden dürfen.
„Es braucht einheitliche Standards und Prüfverfahren, besonders bei Druckverfahren, bei Farben und Lack. Wir brauchen viel Austausch, weil es um mehr als Papier geht. Durch Beschichtungen sind oftmals auch “nachhaltige” Papiere nicht recyclingfähig”, sagte Pamminger.
Für Vögeli kann insbesondere die öffentliche Beschaffung zum Treiber für eine Circular Economy nach C2C im Druckbereich werden: Druckprodukte in C2C-Qualität müssten zum Standard bei Beschaffungsvorgängen der öffentlichen Hand werden, die damit zukunftsorientiert investieren könne, sagte er. Beide Panelisten betonten: Eine wirklich nachhaltige Produktion von Papier sei im Vergleich zur konventionellen Produktion noch relativ teuer, besonders aufgrund der notwendigen Investitionen, wie neue Machinerie, veränderte Produktionsprozesse und Schulungen für die Mitarbeitenden. Die Intention und Überzeugung der Unternehmen, für die Zukunft zu investieren, seien entscheidend.
Beide Unternehmen seien auch für Innovationen wie Papier aus Gras oder Stein offen, wenn es darum gehe, kreislauffähige Druckprodukte herzustellen. Graspapier ist bei Lenzing bereits in der Entwicklung, die Produktion sei allerdings bisher nur unter Zusatz von neuen Materialien möglich.
Kosten und Nachfrage bei C2C-Druckprodukten
„Es geht aktuell vor allem um den Willen, die Zeit und das Geld, wahrhaftig nachhaltig zu drucken”, so Vögeli. Eine erhöhte Nachfrage sei definitiv feststellbar, Vögeli sei allerdings auch das einzige Unternehmen, das C2C-zertifiziertes Papier aktuell in der Schweiz anbietet.
Ein Zuschauer wirft die Frage auf, die sich alle stellen: Warum haben sich bisher nicht mehr Unternehmen dazu entschieden, Cradle to Cradle in der Produktion umzusetzen? „Papierfasern sind sehr hochwertig und mit einem hohen Energie- und Wasserverbrauch verbunden. Sie sollten möglichst oft verwendet werden, theoretisch bis zu über 20-mal! Deswegen haben wir uns für Recyclingpapier entschieden. Buchdeckel, Leime und Druckfarben erschweren allerdings den Recyclingprozess.”, so der Zuschauer, der selbst beim Umweltdruck Berlin und bei der Industriedruck Brandenburg GmbH tätig ist.
Nach der Paneldiskussion tauschten sich viele Teilnehmende vor Ort bei lockerer Atmosphäre, Drinks und Snacks aus und ließen den Abend bei Gesprächen über die zirkuläre Zukunft im Druck, der Papierproduktion, Berlin und unserem Handeln insgesamt ausklingen.
Das Ganze Event findet ihr hier.