Wir haben mit Ernst Gugler, Gründer und Geschäftsführer Gugler GmbH, und Markus Vögeli, Geschäftsleiter Vögeli AG, darüber gesprochen, warum sie Cradle to Cradle-Printprodukte herstellen, wie gesunde Printprodukte für die Umwelt und uns Menschen aussehen und ob es in der Printbranche ein Umdenken gibt. Gemeinsam mit KLS Pureprint A/S bilden sie die Print The Change Cooperative, eine europaweite Genossenschaft von Druckereien, die nach Cradle to Cradle produzieren.
Gründungsfoto der Print the Change Cooperative
Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, nach Cradle to Cradle zu drucken?
Ernst Gugler: Das Kommunikationshaus Gugler wurde vor 34 Jahren mit der Mission gegründet, Nützling statt Schädling zu sein – mit allem, was wir tun. Und hier vor allem mit unserem Kerngeschäft des Druckens, da dies umwelttechnisch bekanntermaßen ein eher belastetes Gewerbe ist. Die beste Möglichkeit, nützlich für diesen Planeten zu sein, war für uns die Idee der Kreislaufwirtschaft, da sie Ressourcen schont und Abfall vermeidet, weil bereits VOR der Produktion definiert wird, wie das Produkt NACH der Nutzung wieder in Stoffkreisläufen zugeführt werden kann. Das Prinzip dahinter: Abfall ist Nahrung. So waren wir 2011 die erste Druckerei weltweit, die C2C-zertifizierte Druckprodukte anbieten konnte. Heute sind wir die einzige Druckerei – gemeinsam mit unseren Print the Change-Partnern – die im Cradle to Cradle Gold-Standard druckt, und wir haben auch das weltweit größte Spektrum an zertifizierten Druckkomponenten im Einsatz. Grüner geht’s nicht.
Markus Vögeli: Wir hatten unsere Prozesse bezüglich Energieeffizienz bereits so stark optimiert, dass uns von externen Berater*innen attestiert wurde, dass wir kein Verbesserungspotential mehr hätten. Im Jahr 2015 haben wir uns dann zum Ziel gesetzt, Möglichkeiten zu suchen, wie wir uns ökologisch trotzdem noch verbessern können. So sind wir auf die Firma Gugler gestoßen und haben über ihre Pläne zu C2C im Druck gelesen. Später sind wir mit Ernst Gugler ins Gespräch gegangen und haben uns schlussendlich in der Print The Change Cooperative zusammengetan. Dies war für uns der logische nächste Schritt. Bisher hat man wie alle anderen immer versucht, möglichst weniger umweltschädlich zu produzieren. Mit C2C wird nun seit 2016 ein völlig neuer Denkansatz umgesetzt.
Wie unterscheiden sich Eure C2C-Produkte von anderen nachhaltigen Printprodukten?
Markus Vögeli: Wir verwenden nur Materialien, die sicher für biologische Kreisläufe sind – so können nun erstmals in der Schweiz Druckprodukte hergestellt werden, die für Mensch und Natur unbedenklich sind. Zudem wird alles mit CO₂-freiem Ökostrom mit einer Photovoltaik-Anlage produziert, ist fossilfrei und soziale Standards werden eingehalten. Dies alles wurde von EPEA und dem C2CPII geprüft.
Ernst Gugler: Unsere C2C-zertifizierten Druckprodukte sind gesund, rückstandsfrei recycelbar und klimapositiv hergestellt. In Papier, Farbe, Lacken und Leimen werden nur Inhaltsstoffe eingesetzt, die unschädlich für Mensch, Tier und Umwelt sind. Dazu werden sie bis zum letzten Sublieferanten ökotoxikologisch von einem unabhängigen Institut geprüft und ggf. optimiert. So wissen wir am Ende zu 100 %, was in unseren Produkten enthalten ist und dass die verwendeten Stoffe zu 100 % unschädlich sind. Vor allem, weil erst ab der Zertifizierungsstufe Silber keine krebserregenden, erbgutverändernden und fortpflanzungsschädigenden CMR-Stoffe mehr enthalten sind. Wenn bei der Produktion nur Stoffe verwendet werden, die in unserem Fall für den biologischen Kreislauf optimiert wurden, können auch beim Recycling keine schädlichen Stoffe übrig bleiben, die in der Regel als Sondermüll entsorgt werden müssen. Deshalb sind C2C-Druckprodukte auch rückstandsfrei recycelbar. Und weil wir alle CO₂-Emissionen, die bei der Produktion unserer C2C-Druckprodukte entstehen, zu 110 % kompensieren, sind sie auch noch klimapositiv produziert – und damit nicht nur nicht schädlich für die Umwelt, sondern sogar nützlich.
Welchen Herausforderungen seid Ihr bei der Produktion von C2C-Produkten begegnet und wie habt Ihr sie gemeistert?
Markus Vögeli: Die Schwierigkeit ist, dass es am Markt fast nur Materialien gibt, die den hohen Ansprüchen von C2C an die Materialgesundheit nicht genügen. Wir mussten viele Materialien neu rezeptieren und herstellen lassen. Dafür muss viel investiert werden und dieser Prozess braucht viele Stunden an Tests. Gemeistert haben wir das durch einen großen Willen, etwas zu verändern und durch die Zusammenarbeit mit unseren Partnern in der Print The Change Cooperative – Gugler und KLS Pureprint. Denn hier unterstützen und spornen wir uns gegenseitig an.
Ernst Gugler: Um die Inhaltsstoffe der Druckkomponenten unserer Druckprodukte von einem unabhängigen Institut analysieren lassen zu können, mussten unsere Lieferanten ihre chemischen Rezepte – ihr Heiligstes! – offenlegen. Dies wurde über Geheimhaltungsvereinbarungen gelöst. Es verlangt aber auch eine besondere Kultur des Vertrauens und Miteinanders. Denn im Grunde konnten wir diese C2C-Innovation für unsere Kund*innen nur gemeinsam mit unseren Lieferanten in die Welt bringen, alleine wäre es nicht möglich gewesen. Ohne diese WIR-Kultur wird Kreislaufwirtschaft grundsätzlich nicht möglich sein, da wir alle mit vor- oder nachgelagerten Lieferanten verbunden sind.
Welche Herausforderungen oder Aspekte sind gerade bei der Herstellung von C2C-Druckprodukten besonders?
Markus Vögeli: Es handelt sich um industrielle Prozesse, bei denen sich die Auswirkungen einer Umstellung auf C2C oft erst Jahre später zeigen. Denn die Materialien sind oft jahrelang im Einsatz, ein Buch ist beispielsweise sehr lange im Gebrauch. Wird nun z. B. bei der Buchproduktion ein Leim ausgetauscht, müssen die Maschinen neu eingestellt werden. Erst die Langzeiterfahrung zeigt, ob der Leim ausreichend stabil ist.
Ernst Gugler: Herausfordernd war die Abstimmung der verschiedenen C2C-Druckkomponenten aufeinander. Probleme gab es zu Beginn z. B. mit der Farbe gelb. Durch die optimierten pflanzenölbasierten Farbpigmente war es ein sehr grünstichiges Gelb ohne Strahlkraft. Heute ist das längst gelöst und unsere C2C-Farben leuchten in Kunstkatalogen oder Bildbänden genauso brillant wie ein herkömmlicher Druck.
Eure C2C-Produkte sind kompostierbar und können nach mehrmaligem Recycling in die Biosphäre zurückgeführt werden. Wie stellt Ihr Euch das Leben Eurer C2C-Produkte vor?
Ernst Gugler: Unsere C2C-Druckprodukte sind für den biologischen Kreislauf optimiert. Sie bestehen ausschließlich aus gesunden Inhaltsstoffen. Das heißt, beim Recycling können auch keine schädlichen Reststoffe übrig bleiben. Was bleibt, ist ein biologischer Klärschlamm. Dieser könnte – zumindest theoretisch – auf Wiesen ausgetragen werden, um Nahrung für den nächsten Baum, für den nächsten Zellstoff zu sein. Doch dafür bräuchte es eigene C2C-Abfalltonnen, um sortenrein recyceln zu können. Deshalb denken wir bereits über ein eigenes Rücknahmesystem von C2C-Druckprodukten unserer Kund*innen nach. So könnten wir zumindest im Kleinen den Kreislauf tatsächlich schließen. Derzeit sorgen wir mit unseren C2C-Druckprodukten dafür, dass wir keinen problematischen Abfall zurücklassen. Im Garten vergraben sollte man unsere Produkte dennoch nicht, sondern sie, wie alles aus Papier, in der Papiertonne entsorgen.
Markus Vögeli: Sie sollen so oft wie möglich wieder zu Papier werden – dabei kann der bei der Altpapieraufbereitung entstehende Klärschlamm als Bodendünger für den Humusaufbau verwendet werden. Wenn kein Recycling mehr möglich ist, sollten unsere C2C-Produkte in einer Biogasanlage vergärt werden, um Strom zu produzieren und anschließend kann der Humus auf ein Feld ausgebracht werden.
Wie nachhaltig ist denn die konventionelle Druckbranche? Spielt da das Thema Nachhaltigkeit und Cradle to Cradle schon eine wichtige Rolle?
Markus Vögeli: Die Branche gehört generell im Vergleich zu anderen Branchen im Punkt Nachhaltigkeit zu den Besseren. Dennoch können bei herkömmlichen Druckprozessen rund 30 % der Stoffe nicht recycelt werden und landen auf einer Deponie. Und vor allem das Thema Materialgesundheit ist überhaupt noch nicht bekannt. Einige haben inzwischen zumindest auch schon C2C entdeckt. Dennoch ist es nicht einfach, weitere Mitstreiter*innen für die Print The Change Cooperative finden – was sehr schade ist. Denn wir sollten alle zusammen an der nachhaltigen Ausrichtung unserer Branche und unserer Produkte arbeiten. Als Mitglied der Print The Change Cooperative können Druckereien ohne viel Aufwand eine C2C-Zertifizierung sogar auf Gold- oder Silber-Level erreichen.
Und jetzt noch ein Blick in die Zukunft! Wie sieht es bei Print the Change, Gugler und Vögeli in 5 oder 10 Jahren aus?
Ernst Gugler: In der Druckbranche herrscht ein starker Preiskampf. Gugler ist ein gemeinwohlorientiertes Kommunikationshaus mit umfassenden Nachhaltigkeitsleistungen nicht nur im Druckbereich, sondern auch für unsere Mitarbeiter*innen, unsere Kund*innen, die Umwelt und Gesellschaft, müssen aber mit den Preisen herkömmlicher Betriebe ohne solche Zusatzleistungen mithalten können. Das ist eine große Herausforderung, vor allem in Zeiten wie diesen.
Was wir uns wünschen, wären politische Regularien wie sie beispielsweise die Gemeinwohlökonomie fordert. Demnach sollen in der Gemeinwohlbilanz die Gemeinwohlleistungen eines Unternehmens genauso erhoben und bewertet werden wie Gewinne und Verluste in der Finanzbilanz und sich dann positiv auf Steuern, Förderungen, Kreditvergaben auswirken. Damit würde Gemeinwohlunternehmen ein Wettbewerbsvorteil entstehen, der andere Firmen dazu veranlassen würde, Gewinne ebenfalls nicht mehr auf Kosten anderer zu erwirtschaften. Wir sind gerade dabei, die Integration der C2C-Zertifizierung in die GWÖ-Bilanz in Hinblick auf die neue EU-Reporting-Direktive (CSRD) zu initiieren.
Markus Vögeli: In 5 Jahren wird Print the Change gewachsen sein – viele Druckereien werden sich uns angeschlossen haben. In 10 Jahren werden Druckprodukte mit dem Status C2C-Gold zum Standard gehören. Wir bei Vögeli werden ein Unternehmen sein, das positive Werte für Mensch und Umwelt schafft.
Fotos: Gugler GmbH
Illustration: Vögeli AG