Zukunftsmusik in Mainz: Highlights der Cradle to Cradle Akademie 2024
Unsere Akademie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Cradle to Cradle Prinzipien in die Breite der Gesellschaft zu tragen. Seit zehn Jahren ist die C2C Akademie die perfekte Gelegenheit zum Austausch für alle Cradler*innen, die C2C in Deutschland, Österreich und der Schweiz ehrenamtlich voranbringen. Bei der Akademie lernen wir alle voneinander und teilen unseren Erfahrungsschatz miteinander. Von Politik bis Wein, von der Diskussionsrunde bis zum Filmabend war im Programm alles dabei.
Tag Eins: Kennenlernen, Austauschen, Mainzer Region und C2C
Cradle to Cradle in der Mainzer Stadtverwaltung
Der Oberbürgermeister der Stadt Mainz, Nino Haase, äußerte seine Freude über die Gelegenheit, das Thema gemeinsam mit C2C NGO weiter in die Stadt hineinzutragen und umzusetzen. Bei der Sanierung des Rathauses beispielsweise habe man sich an C2C orientiert. Für den Mainzer Biotech-Campus wurde ein Mobilitätskonzept erarbeitet, mit dem der ökologische Fußabdruck so gering wie möglich bleiben soll. „Wir müssen positive Zukunftsbilder voranbringen. Wir können nachhaltig wirtschaften, indem wir möglichst wenig Einfluss auf die Natur nehmen“, sagte Nino Haase in seiner Rede. “Wir brauchen Zuverlässigkeit, Innovation, Zukunftskonzepte und Rahmenbedingungen, mit denen wir planen können.”
Janina Steinkrüger, Beigeordnete der Stadt Mainz für Umwelt, Grün, Energie und Verkehr, freute sich, dass die Akademie durch die Mainzer Stiftung finanziert werden konnte und damit das Thema mehr in die Breite getragen werde. Die Stadt Mainz sei schon lange auf das Thema Nachhaltigkeit fokussiert: „Seit den 90er-Jahren haben wir einen Klimaschutzbeirat, bestehend aus externen Fachexperten, die uns beraten”, erklärte sie. “Die Idee von C2C ist für uns sehr hilfreich, um langfristig klimaneutral zu werden: 2018 haben wir unser erstes Platin-zertifiziertes, nachhaltiges Gebäude aus Recyclingbeton gebaut.”
Workshops und die Leitvision für Mainz
Höhepunkte des ersten Akademietags waren die Workshops zur Entwicklung einer Leitvision nach C2C für die Stadt Mainz. Dafür haben die ehrenamtlichen Cradler*innen gemeinsam Ideen gesammelt und ihre vielfältige Expertise eingebracht. In den Bereichen Beschaffung, Kultur und Bauen gab es jeweils drei Tische mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Über mehrere Runden haben die Cradler*innen zuerst gebrainstormt und ihre Ideen dann konkretisiert. Am frühen Abend wurden die Ergebnisse präsentiert und an Janina Steinkrüger als Vertreterin der Stadt Mainz übergeben.
Beim Thema Beschaffung kamen die Ehrenamtlichen zu dem Ergebnis, dass strukturelle Rahmenbedingungen für eine kommunale Beschaffung nach Cradle to Cradle geschaffen werden sollten. Mainz solle in den überregionalen Austausch mit anderen Städten und C2C-erfahrenen Kommunen gehen und dafür Teil des Netzwerks C2C Regionen werden.
An den Thementischen Kultur entstand die Idee, dass die positiven Erfahrungen aus dem Labor Tempelhof – und aus dem davon inspirierten Mainzer Konzert „Zukunftsmucke” – genutzt werden könnten, um ein C2C-Festival in Mainz oder der Umgebung zu veranstalten. Ein großes Event mit positivem Fußabdruck könnte Cradle to Cradle in der Stadtgesellschaft bekannter machen.
Im Bereich Bauen schlugen die Cradler*innen vor, einen „C2C-Building Hub” in Mainz aufzubauen, der als Bildungszentrum, Werkstatt und Materiallager für re-use Produkte fungieren kann. Zirkuläres Bauen soll in Mainz Realität werden und durch ein übergreifendes Materialkataster für die Gebäude der Stadt ermöglicht werden.
Bei der Übergabe der Leitvision bestätigte die Umweltbeigeordnete Janina Steinkrüger: „Wir müssen den Auftrag bekommen, in die richtige Richtung zu arbeiten und die Konzepte bis in den Stadtrat tragen. Wir sind im Aufbruch und wollen alle Ämter an den Tisch bringen: Bau, Mobilität, Bildung, all diese Bereiche wollen wir abdecken.”
“Mainz goes Cradle to Cradle” – vom Rathaus auf die Straßen der Stadt
Der erste Tag der Akademie endete mit einer Paneldiskussion mit Katja Mailahn, Geschäftsführerin von der Mainzplus CITYMARKETING GmbH, und Hannsgeorg Schönig, Präsident des Mainzer Carneval Vereins – MCV. Im Mittelpunkt standen das Projekt „Zukunftsmucke” – eine Konzertveranstaltung in Mainz nach Cradle to Cradle – und die Mainzer Fastnacht.
Hannsgeorg Schönig betonte, dass es nicht Verbote sondern gute Angebote brauche, um Fastnacht-Feiernde zu mehr Nachhaltigkeit zu bewegen. Im Karneval sei eine Umsetzung von Cradle to Cradle relativ schwierig: „Es muss umsetzbar und vor allem finanzierbar sein. Alleine die Organisation der Bühne ist sehr teuer, dadurch fehlen uns oft die Mittel für mehr Nachhaltigkeit.” Müll sei ein großes Problem, das sich aber nur schwer lösen lasse, unter anderem wegen vieler freier Verkaufsstellen, die sich nicht an Auflagen halten.
Tag Zwei: Circular Society, Kreislaufwirtschaftsstrategie, Banken und Start-Ups
Handlungsempfehlungen der Hans Sauer Stiftung
Tabea Rößner: Kreislaufwirtschaftsstrategie, Recht auf Reparatur, und Ökodesignverordnung
Cradle to Cradle im Rhein-Main-Gebiet
Auf dem anschließenden Panel diskutierten Bärbel Dieckmann, ehemalige Oberbürgermeisterin von Bonn und Vorstandsmitglied von C2C NGO, die rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner, Timothy Glaz, Leiter Corporate Affairs bei Werner & Mertz, und Dr. Christian Hey vom Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Herausforderungen bei und Chancen für die Umsetzung einer Circular Economy im Rhein-Main-Gebiet.
Werner & Mertz gehört zu den Industriebetrieben, die C2C bereits vollumfänglich umsetzen und damit erfolgreich sind, berichtete Timothy Glaz. Das Unternehmen stellt unter anderem die Reinigungs- und Pflegemittelmarke “Frosch” her, die in Supermärkten überall im Land in den Regalen steht. Timothy Glaz zeigte auf, wie Unternehmen systemische Lösungen für eine nachhaltigere Produktion entwickeln können. Er betonte die Bedeutung von Innovationen und die Zusammenarbeit auf verschiedenen politischen Ebenen, um die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben.
Rößner hob hervor, wie wichtig es ist, C2C-Konzepte in verschiedenen Bereichen wie Bildung und Bauwesen umzusetzen. Sie betonte die Rolle der Regierung bei der Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen und Anreizen für nachhaltiges Handeln.
Finanzmacht und Nachhaltigkeit: Die Rolle der Banken
“Purpose Found.” – Gründer*innen-Panel
Ein Unternehmen gründen, das Cradle to Cradle in die Tat umsetzt: Für Viele bedeutet das “purpose found” – “Berufung gefunden”. Auf dem gleichnamigen Gründer*innen-Panel, teilten Daniel Anthes, CEO von Knärzje, Tore Waldhausen, CEO von r3leaf, Robin Angelé von Commown, Robert Böker von der WoodenValley gGmbH und Annika Stremming von urselmann interior, ihre Erfahrungen dazu, was es braucht, um ein nachhaltiges Startup zu gründen. Die Panelist*Innen erzählten ihre inspirierenden Geschichten, sprachen über ihre individuellen Werdegänge und skizzierten die Herausforderungen auf ihren Wegen.
Daniel Anthes betonte: “Es ist wichtig, dass die Förderung klimafreundlicher Produkte deutlich beschleunigt wird, da sich ansonsten schwierig konkurrenzfähige Produkte entwickeln lassen.”
“Dein Scheiß im Kreis” – Eine Diskussion zur Kreislaufführung von Nährstoffen
Menschliche Ausscheidungen sind wertvolle Nährstoffe, die in den Kreislauf statt in die Kanalisation gehören. Darum dreht sich der Dokumentarfilm “Holy Shit” und damit beschäftigte sich auch das Panel “Dein Scheiß im Kreis”. Über innovative Ansätze wie Trockentoiletten und politische Rahmenbedingungen für geschlossene Kreisläufe diskutierten Rubén Abruña, Regisseur von „Holy Shit“, Katrin Eder, Ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität des Landes Rheinland-Pfalz und Lena Fritzsche vom Unternehmen Finizio Future Sanitation, das aus menschlichen Ausscheidungen Dünger für die Landwirtschaft herstellt.
Nach der Diskussion wurde der Dokumentarfilm „Holy Shit“ gezeigt, der das Thema anschaulich vertiefte. Im Anschluss hatte das Publikum die Gelegenheit, mit dem Regisseur Rubén Abruña ins Gespräch zu kommen und Fragen zu stellen. Die Veranstaltung bot viele Einblicke in nachhaltige Praktiken und zeigte, wie neue Denkansätze im Umgang mit Nährstoffen bereits umgesetzt werden können.
Tag Drei: Philosophie, Barcamp und Weinworkshop
Die Evolution des Denkens: Michael Schmidt-Salomons Perspektive auf die Menschheit und ökologische Verantwortung
Michael Schmidt-Salomons Vortrag zu seinem Buch „Die Evolution des Denkens“ verdeutlichte, dass die Menschheit bereits das Potenzial hat, eine harmonische und nachhaltige Beziehung zur Umwelt zu entwickeln. Er analysierte die gegenwärtigen Herausforderungen, und arbeitete anhand der Werke von zehn Denker*innen heraus, dass im Schatz der Philosophiegeschichte bereits inspirierende Antworten auf drängende Probleme der Gegenwart liegen.
Ein zentraler Punkt in Schmidt-Salomons Argumentation ist die Erkenntnis, dass ein schlechtes Gewissen allein nicht zu nachhaltigen Verhaltensänderungen führt, sondern eher lähmend auf Menschen wirkt. Der moralische Zeigefinger, so der Philosoph, sei kein effektiver Weg, um Menschen zu motivieren. Schmidt-Salomon betonte, dass Cradle to Cradle einer der wenigen ökologischen Ansätze sei, der den Menschen nicht als Schädling, sondern als Nützling ansieht und so eine positiv motivierende Wirkung hat.
Barcamp zum Abschluss mit Weinworkshop
Wie im letzten Jahr setzen die Cradler*innen auch bei dieser Akademie auf das offene, dynamische Konferenzformat “Barcamp”: Teilnehmende hatten die Möglichkeit, selbst Wissen weiterzugeben und von anderen Teilnehmenden zu lernen. Dieser Austausch ist für alle hilfreich, da die Arbeit der ehrenamtlichen Cradler*innen sehr vielfältig ist: Einige halten Vorträge und Workshops, andere denken sich lokale Kampagnen zu C2C aus. Im Barcamp konnten sie sich gegenseitig weiterbilden und inspirieren.
Gemeinsam mit Andrea und Ole tauschten die Ehrenamtlichen Ideen über die Rolle von C2C-Arbeit in der Landwirtschaft aus. Beeindruckend war auch Karls Darstellung der Kreisläufe des Fahrrads und des Konzepts „Cycling as a Service“ – ein Geschäftsmodell, bei dem Fahrräder und Pedelecs nicht verkauft, sondern zur Nutzung überlassen werden, was wiederum sicherstellt, dass alle Materialien und Komponenten im Kreislauf bleiben. Mit Lukas malten die Cradler*innen Zukunftsbilder und diskutierten darüber, wie Veränderung erfolgreich gelingen kann. Sven führte sie durch den Prozess der Entwicklung einer neuen Online-Enzyklopädie für Cradle to Cradle.
Es gab beim Barcamp auch einen interessanten Workshop: Das Rhein-Main-Gebiet ist eine der wichtigsten Weinregionen in Deutschland. Max, Martin, Karl, Thorsten und Nadine aus der Regionalgruppe Mainz und Wiesbaden präsentierten faszinierende Einblicke in die Weinbranche und erläuterten, wie Cradle to Cradle dort implementiert werden kann.
Ein unvergesslicher Abschluss in der Mainzer Altstadt
Den letzten Abend ließen die Cradler*innen in der Mainzer Altstadt gemeinsam ausklingen, begleitet von Gesellschaftsspielen und guten Gesprächen. Die harmonische Atmosphäre und das herzliche Miteinander machten den Abend zum schönen Abschluss einer Akademie, bei der alle Teilnehmenden viel Inspiration und Know-How für ihre C2C-Arbeit in ihren Heimatstädten mitnehmen.