Cradle to Cradle ist mehr als ein Designkonzept, das Produkte von Beginn an neu denkt und Ressourcen in endlose Kreisläufe bringt. Als ganzheitlicher Ansatz zeigt C2C den Weg zu einer zirkulären Gesellschaft. In ihr schaffen Unternehmen mit guten Produkten echte Wertschöpfung, leisten einen positiven Beitrag für die Umwelt und bieten sichere und faire Arbeitsplätze. Dafür muss aber nicht nur die Wirtschaft umdenken, auch politisch muss sich jede Menge verändern.
Take, make, waste – dieser Dreiklang beschreibt, wie heute die meisten Produkte hergestellt und konsumiert werden, von der Zahnbürste bis zum Haus. Cradle to Cradle zeigt auf, warum wir uns von dieser linearen Form des Wirtschaftens verabschieden müssen, und wie wir diesen Weg durch innovatives und kreislauffähiges Produktdesign mit gesunden Materialien beschreiten können. Doch eine zirkuläre Wirtschaft ist mehr als die Summe ihrer einzelnen Teile: Sie muss von einer Politik begleitet werden, die sich in einer C2C Ökonomie grundlegend von den Rahmenbedingungen unseres heutigen Wirtschaftssystems unterscheidet.
Preiswahrheit statt Fehlanreize
Heute werden Produktionsweisen und Produkte subventioniert, die Mensch und Umwelt schaden: Die Befreiung von der Energiesteuer bei der Herstellung von Virgin Plastics macht die Nutzung von Kunststoffrezyklaten im Vergleich automatisch teurer. Agrarsubventionen orientieren sich an der Größe von Betrieben und fördern so in der Breite landwirtschaftliche Praktiken, die vielfältige langfristige Umweltschäden hervorrufen. Das sind nur zwei von zahlreichen Fehlanreizen, die es belohnen, umweltschädigend zu handeln und Ressourcen zu verschwenden. In einer C2C Ökonomie setzen die Rahmenbedingungen stattdessen Anreize, klimapositive, kreislauffähige und gesunde Produkte einzusetzen und herzustellen. Kosten für Umweltschäden werden also vollständig in das Preissystem integriert. Es ist keine rein kulturelle oder moralische Frage mehr, im Sinne von Mensch und Umwelt zu handeln, sondern eine ökonomische Entscheidung im Rennen um endliche Ressourcen. Statt bestimmte Stoffe, Produkte oder Herstellungsweisen zu verbieten, wird der Einsatz positiv definierter, geeigneter und kreislauffähiger Materialien zum Tranformationsmotor.
Qualität statt Effizienz
Heute trimmen wir Produkte auf Effizienz, ohne ihre langfristige Wirkung auf Mensch und Umwelt zu beachten: Vom Autoreifen, der heute länger haltbar ist, dessen Abrieb aber so fein ist, dass er sich in menschlichen Lungen absetzt, bis zum Solarpanel mit hohem Wirkungsgrad, das nach seiner Nutzung zu Sondermüll wird. Eine C2C Ökonomie zeichnet sich indes durch transparente Qualitätsstandards aus, die zu effektiven Produkten führen. Sie können dann in einem zweiten Schritt durch Innovationen effizienter gestaltet werden. Ein Produkt, das am Ende seiner Nutzung zu Müll wird, kann per Definition kein Qualitätsprodukt sein. Das Wissen um Produktinhaltsstoffe, Materialgesundheit sowie Trennbarkeit und Rückbaubarkeit ist in einer C2C Ökonomie die Grundlage für Produkte, die Materiallager sind. Die Digitalisierung ermöglicht es, die Qualität und Quantität von Produktbestandteilen und ihrer Wertschöpfungskette für alle transparent nachzuverfolgen.
Ab einem gewissen Transformationsgrad lässt sich der Rohstoffbedarf der produzierenden Industrie aus Sekundärrohstoffen decken, die bereits in Form von Produkten auf dem Markt sind. Unternehmen investieren als Rohstoffbanken in ein Produkt, von dem sie wissen, dass sie es mit all seinen wiederverwendbaren und daher wertvollen Bestandteilen nach einer bestimmten Nutzungsdauer zurückerhalten. Das Nutzungsszenario sowie die Nutzungsdauer von Produkten gewinnen an Bedeutung: Das erhöht die Planungssicherheit für Herstellende und ist ein weiterer Anreiz, auf die Qualität der Materialien und wie sie verbaut werden zu achten sowie Rücknahmesysteme anzubieten. So werden aus den heute üblichen linearen Konzepten von Produktkauf und -nutzung zirkuläre Geschäftsmodelle, die sich auf Nutzen statt Besitzen fokussieren und eine kooperative Beziehung zwischen Herstellenden und Nutzenden fördern.
Wasserkreislauf statt Energiesackgasse
Wasser steht als lebensnotwendige und zunehmend rare Ressource in einer C2C Ökonomie unter besonderem Schutz. In keiner Produktionsstätte und in keinem urbanen Raum wird Wasser durch schädliche Chemikalien verschmutzt. Es verlässt Fabriken in Trinkwasserqualität. Wo es geografisch sinnvoll ist, kann Wasser zur Energiegewinnung beitragen, die in der C2C Ökonomie ausschließlich aus regenerativen Quellen erfolgt. Sonne ist unendlich verfügbar und stellt gemeinsam mit Wind und Wasser den Energiemix der Zukunft dar. Damit die Energiegewinnung keine irreversiblen Schäden mehr auf der Erde hinterlässt, bestehen auch die Anlagen zu ihrer Förderung ausschließlich aus geeigneten und kreislauffähigen Materialien.
Die Weltbevölkerung wächst und gleichzeitig gehen unsere endlichen Rohstoffe zur Neige. In diesem geschlossenen System brauchen wir die C2C Ökonomie, um immer mehr Menschen eine lebenswerte Zukunft bieten zu können.
Dieser Artikel erschien erstmals im Printmagazin NÄHRSTOFF #5