Von Coworking-Spaces, materialgesunden Möbeln im Produkt-Service-Modell und Bürogebäuden aus kreislauffähigen C2C-Materialien: Beim Roundtable “Circular Office” diskutierten am 5.7.2024 im Freiraum in der Box Expert*innen aus Architektur, Inneneinrichtung, Möbelindustrie sowie dem Bauwesen über die zukunftsfähige Gestaltung von Arbeitsplätzen. Drei Berichte von Teilnehmenden zeigen: Die Veranstaltung war nur der Auftakt für einen dringend notwendigen engeren Austausch sowie branchenübergreifende Kooperationen.
“Jede*r kann dazu beitragen, C2C als Ansatz umzusetzen”, stellte Nora Sophie Griefahn, geschäftsführende Vorständin bei C2C NGO in ihrem Input zu Beginn der Veranstaltung fest. Das gelte insbesondere, wenn es darum gehe, anders als bisher mit endlichen Ressourcen umzugehen und Geschäftsmodelle zu entwickeln, die über das hinausgehen, was im Alltag heute sichtbar sei. “Unsere Normalität ist das, was wir selber schaffen und beeinflussen können”, sagte sie weiter.
Der Roundtable lebte vor allem von der Expertise der Teilnehmenden in ganz unterschiedlichen Stellen der Wertschöpfungskette. Vincent Jahn, einer der Gründer des Partners für europaweite nachhaltige Bürotransformationen, Fenyx, war vor Beginn vor allem “gespannt darauf, wie erfahrene Expert*innen die aktuellen Herausforderungen und Chancen in unserer Branche definieren und tolle Beispiele aus der Praxis vorstellen”. Ein zentrales Thema der Gesprächsrunde sei das noch immer vorherrschende lineare Denken in unserer Gesellschaft gewesen “Das führt nach wie vor zu enormen Abfallmengen von Innenausbau-Elementen und Büromöbeln. Eine große Herausforderung hier ist die mangelnde Transparenz bezüglich der Materialien, was die effektive Wiedernutzung erschwert. Darüber hinaus gibt es großen Verbesserungsbedarf bei Gewährleistungen für gebrauchte Bauteile und Büromöbel, um Vertrauen auf Verbraucherseite zu kultivieren. Ich sehe hier großes Potenzial in der Digitalisierung, die uns helfen könnte, Materialzusammensetzungen besser nachzuverfolgen und Kreisläufe zu schließen.
Vorreiter in Sachen Kreislaufwirtschaft ist für mich definitiv Ahrend, ein niederländischer Möbelhersteller. Das Unternehmen zeigt eindrucksvoll, wie Kreislaufwirtschaft im großen Stil, vor allem markenunabhängig umgesetzt werden kann. Mit drei Produktionsstandorten und einem Circular Hub für die Rücknahme und Aufarbeitung von Möbeln stellt Ahrend sicher, dass Materialien nicht verschwendet werden. Die Einblicke in den niederländischen Markt, in dem die Nachfrage für aufbereitete Büromöbel boomt und fast der gleiche Preis wie für neu bezahlt wird, geben mir persönlich große Hoffnung für Deutschland und andere Märkte in Europa.
Daniel von Lyght Living hat beeindruckende Ansätze für die Alternative zum traditionellen Kauf präsentiert. Er und sein Team setzen auf Leasing und bieten damit zirkuläre Lösungen für Wohn- und Arbeitsräume auf Basis von modularen Designs. Dadurch wird die Langlebigkeit der Produkte gefördert und der Bedarf an neue Rohstoffen reduziert.
Um Kunden eine ganzheitlich nachhaltige Alternative anzubieten, die keine merklichen Unterschiede zur Erfahrung beim Neukauf darstellt, ist Zusammenarbeit essenziell. Deswegen setzen wir bei Fenyx den Partnerschaftsgedanken an erste Stelle: Wir arbeiten mit Architekt*innen, Händlern und Herstellern zusammen, um den höchsten Grad an Nachhaltigkeit bei der Transformation von Arbeitswelten zu erreichen. Dank der digitalen Katalogisierung des gesamten Bestandes samt Zustandseinschätzung, Verortung und Bildern, profitieren Kund*innen von einem effektiven Verwertungsmodell und hohen Quoten der Planung mit Bestand durch unsere Partner-Architekten. Darüber hinaus bieten wir auch ein breites Portfolio an aufbereiteten Büromöbeln, um Zirkularität auch bei der Neueinrichtung zu ermöglichen.
Der Roundtable hat mir verdeutlicht, dass der Weg zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft im Bürosektor nur auf der Basis von ehrlicher Zusammenarbeit geschehen kann. Die Kombination aus bewährten und neuen, innovation Geschäftsmodellen verspricht neue Vorteile für Kunden, die letztendlich von zirkulären Lösungen überzeugt werden müssen. Nachhaltigkeit ist zwar der Kern, aber dieser trägt leider keine Früchte, sofern er nicht wirtschaftlich zielführend für alle Stakeholder gestaltet wird.”
Auch Julia Sickermann, Strategin für UX und Circular Design, beschäftigt sich beruflich mit zirkulärer Inneneinrichtung, auch im Kontext von Büros. Sie wendet C2C als Designprinzip seit 2017 an und war unter anderem auch in die Sanierung des C2C LAB nach C2C-Kriterien involviert. “Die Stärke, mit der sich C2C und das angegliederte zirkuläres Design entwickelt hat, ist erstaunlich – es stimmt mich positiv, sehe ich uns alle doch als Nützlinge. Erfreulich an diesem Roundtable ist, dass sich die Teilnehmenden aus unterschiedlichen Bereichen alle bereits mit C2C beschäftigen – sei es durch nachhaltige Projektbegleitung, Produkte, die nach den Prinzipien des Circular Designs entwickelt werden und bei denen sich Entwickler und Materiallieferanten gegenseitig unterstützen oder sei es durch Initiativen zur Wiedernutzung und Materialrückgewinnung. Auf dem deutschen Markt ist heute sicherlich die Struktur von Bauprojekten noch eine Hürde, um die vielen Leuchtturmprojekte zur Normalität werden zu lassen: hohe Anforderungen an die technische Ausstattung, wenig Flexibilität bei Gewährleistungen und rechtliche Ansprüche gegenüber Planern und Architekten. Zudem basieren heutige Finanzierungs- und Steuermodelle darauf, das Eigentum an einem Gebäude und seinem Inhalt zu erwerben. Alternative Konzepte, wie Nutzungsintervalle, sind dabei nicht vorgesehen. Was fehlt ist der Mut, ein Bauvorhaben als großes Ganzes in einem iterativen Prozess, wie dem Design Thinking, zu durchlaufen. Noch dominiert der lineare Prozessablauf mit Leistungsphasen, Kostenaufstellungen und dem Bedürfnis der Beteiligten am Anfang des Projektes schon zu wissen, was detailgenau entsteht und, ganz wichtig, was es kostet. Es wird leider in der Breite noch keine Chance darin gesehen, Entscheidungen auf dem Weg immer wieder auf den Prüfstand zu stellen und zu bewerten und, falls nötig, auch zu revidieren. Der Roundtable kann und will genau diesen kulturellen Wandel anstoßen!”
Den Lerneffekt solcher Austauschformate bestätigt auch Raphael Dietz von asp Architekten. “Was können wir als Architekt*innen und Stadtplaner*innen von eigentlich fachfremden Unternehmen lernen? Welche Prozesse lassen sich adaptieren und wo ergeben sich Schnittstellen? Mit diesen Fragen sind wir in den Roundtable gegangen und haben Einblicke bekommen, wie andere Unternehmen zirkuläre Prozesse implementieren und neue Geschäftsmodelle entwickeln.
Das großmaßstäbliche Refurbishment von Büromöbeln bei Ahrend, die Rücknahme und Wiederaufbereitung von Doppelböden oder Systemtrennwänden bei Lindner oder das systematische Erfassen und Vermitteln von Bauteilen über einen digitalen Marktplatz bei Concular – all diese Beispiele stimmen in ihrem unterschiedlichen Profil zuversichtlich, dass die (Bau-)Wirtschaft ökologisch, ökonomisch und sozial sinnvolle Antworten auf die Ressourcenknappheit hat.
Dieser Frage sind wir auch in unserer Publikation „Zirkuläres Bauen in der Praxis. Ein Status Quo“ nachgegangen, die wir in dieser Runde unter anderem vorstellen durften. Im Auftrag der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart haben wir gemeinsam mit dem Nachhaltigkeitsberater Marcus Herget Interviews mit Expert*innen geführt und Herausforderungen sowie Potenziale der Kreislaufwirtschaft identifiziert. Als Ergebnis haben wir neun Thesen formuliert, wie es gelingen kann, zirkuläres Bauen in die Breite zu bringen. Eine unserer Thesen lautet, dass hierfür erst einmal das Wissen über das zirkuläre Bauen geteilt werden muss. Und, dass es mehr Mut und Offenheit für neue Kooperationen bedarf. In diesem Sinne formulieren Initiativen wie dieser Roundtable bereits eine Antwort, indem fachübergreifend Wissen vernetzt und verfügbar gemacht wird.”