Die Bauwirtschaft ist geprägt von einem hohen Energieverbrauch mit gleichzeitig hohen Emissionen, großen Mengen an Abfall und immer kürzeren Lebenszyklen. Das passt nicht in eine Welt des Klimawandels und der Ressourcenknappheit. Dass sich die Bauwirtschaft anders ausrichten muss war Thema eines Expert*innengesprächs der Bundesstiftung Baukultur am 12. Januar mit dem Titel „Lebenszyklus von Gebäuden – Kreislaufwirtschaft“, an dem Tim für Cradle to Cradle NGO teilgenommen hat.
Als NGO beschäftigen wir uns immer wieder mit der Frage, wie die Bauwirtschaft komplett kreislauffähig gestaltet werden kann. Angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung bei gleichzeitig immer knapper werdenden Ressourcen liegt es auf der Hand, dass diese energie- und müllintensive Branche umdenken muss. Die Stiftung Bauwirtschaft diskutiert in einer Gesprächsreihe vor welchen Herausforderungen die Bauwirtschaft steht und wie diese gestaltet werden können – wir waren beim Auftakt dabei. Ebenso wie Vertreter*innen der Bundesstiftung, der Wohnbaugesellschaft Deutsche Wohnen, von Kadawittfeld Architektur, dem Wuppertal Institut und dem Bauingenieursdienstleister Die Bauingenieure.
Die Diskussionsrunden hatten Materialgesundheit und -trennung sowie echte Preise zum Thema. Für die Materialgesundheit und Kreislauffähigkeit der genutzten Materialien ist es laut Tim in erster Linie relevant, Gebäude effektiv zu planen. Anstatt etwas weniger Materialien einzusetzen, die nach ihrer Nutzung zu Müll werden, müssten Baustoffe verwendet werden, die von Beginn an für Kreislaufführung und Rückbaubarkeit konzipiert seien. Unter der Prämisse, dass im Sinne von Cradle to Cradle nur erneuerbare Energien verwendet werden, könne anschließend dann die Effizienz des Gebäudes, zum Beispiel die Energieeffizienz, betrachtet werden. Gesunde Materialien und Produkte, die werterhaltend trenn- und rückbaubar sind, müssten Standard werden, so Tim.
Dem Wuppertal Institut zufolge ist der Bausektor noch immer für die Hälfte der Treibausgasemissionen und 90% der Biodiversitätsverluste verantwortlich. Daher müssten Materialqualitäts- und Materialtrennungsstandards durch die Digitalisierung vorangetrieben und für alle zugänglich festgehalten werden. Die Luftqualität ist laut Kadawittfeld Architektur ein guter Hebel, um die Anforderungen an Materialien zu definieren. So könnten viele Produkte über nicht ausreichende Materialqualität oder zu hohe Schadstoffe ausgeschlossen werden. Tim warf ein, dass schadstoffarm als Qualitätsstandard nicht ausreiche, um eine nachhaltig wirkende Materialgesundheit zu erreichen. Dazu müsse positiv definiert werden, woraus Produkte bestehen dürfen. Nur so könne der Bausektor im Bereich Produktqualität tatsächlich positiv werden. Dies würde auch dazu führen, dass im Materialpreis die Auswirkungen der Herstellung von Baustoffen auf Umwelt und Ressourcen mit einbezogen würden. Wenn der Preis eines Produkts auch beinhalte, wie kreislauffähig, gesund, demontierbar und werteerhaltend es ist, dann seien gesunde und nach Cradle to Cradle-Kriterien produzierte Produkte ein Wettbewerbsvorteil und finanziell lohnen. Dafür gebe es schon heute viele positive Beispiele im Bereich Bau.
Der Bauwirtschaft müsse klar sein, dass sich eventuelle Mehrkosten für einen kreislauffähigen Bau nach Cradle to Cradle in der Zukunft auszahlten, so Kadawittfeld Architektur. Investitionen in eine Transformation führten zu Lerneffekten und könnten langfristig neue Standards setzen. Dies sei eine klare Mentalitätsfrage. Dabei spielten vor allem öffentliche Bauvorhaben eine wichtige Rolle. Durch öffentliche Beschaffung und das Ermöglichen von Leuchtturmprojekten könnten wichtige Standards für künftige Bauprojekte gesetzt werden. Das Moringa Bauprojekt in der Hafen-City Hamburg, in das das Architekturbüro involviert ist, berücksichtige die Mehrkosten für eine Bauweise nach Cradle to Cradle-Kriterien. Hochrechnungen zeigten, dass sich diese Bauweise nicht nur positiv auf Menschen und Klima auswirke, sondern sich langfristig auch finanziell lohne.
In einem Projekt mit dem Bundesumweltministerium werden Die Bauingenieure Geschäftsmodelle für eine Kreislaufwirtschaft im Bau untersuchen. Wenngleich solche Projekte mit Blick auf Standardisierung wichtig seien, gebe es bereits zahlreiche Praxisbeispiele, die zeigten, dass Kreisläufe auch in der Bauwirtschaft möglich und finanziell sinnvoll seien, so Tim. Er äußerte abschließend den Wunsch, dass ein Konzern wie Deutsche Wohnen doch damit beginnen könne, beispielsweise nach Cradle to Cradle hergestellte Teppiche in ihren Objekten zu nutzen. Damit wäre schon ein guter Anfang gemacht. „Denn am wichtigsten ist es nun, ins Machen zu kommen“, so Tim.