Wie lassen sich Kunststoffe kreislauffähig nach Cradle to Cradle gestalten? Welche Möglichkeiten gibt es bereits heute und was muss passieren, damit die Produktionskreisläufe geschlossen werden können? Beim zehnten Event unserer Veranstaltungsreihe “Berlin, du bist so cradlebar” am 18. Juni 2024 haben wir im Berliner Büro des Re-Commerce-Unternehmens Momox das Thema “Kunststoff im Kreislauf” diskutiert – unter anderem mit der Berliner Abgeordneten Tamara Lüdke (SPD), dem Lichtenberger Bezirksbürgermeister Martin Schäfer, sowie Vertreter*innen der Unternehmen Momox, Chocal, Vytal und Traceless.
Laut Umweltbundesamt fielen 2021 rund 5,7 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle an, rund 60 Prozent davon waren Verpackungen. Geschlossene Kreisläufe beim Plastik sind somit essentiell für eine Gesellschaft, in der kein Müll mehr entsteht. Die Paneldiskussion verdeutlichte: Es gibt vielversprechende Ansätze, aber noch einige Hürden. Im Mittelpunkt des Gesprächs standen rechtliche Rahmenbedingungen, finanzielle Anreize und gesellschaftliche Akzeptanz.
C2C, Politik und Wirtschaft müssen zusammen gedacht werden
Martin Schäfer, Bezirksbürgermeister von Lichtenberg betonte: „C2C ist der Gedankenanstoß, den wir brauchen, um in den Austausch zu gehen und die Veränderung loszutreten: Wir brauchen ein weltoffenes, pragmatisches Verständnis von Verwaltung und dürfen den Blick für das große Ganze nicht verlieren.”
Auch Tamara Lüdke (SPD), Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin, unterstrich die Bedeutung von Innovation und Pragmatismus für eine nachhaltige Zukunft. Berlin unterstütze kreislauffähige Ideen immer mehr.
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Wieso sind nicht schon längst alle Kunststoff-Verpackungen Cradle to Cradle?
Während der Paneldiskussion wurde deutlich, warum die Verpackungs- und Plastikindustrie noch nicht gänzlich auf C2C Produkte umgestiegen ist: Höhere Kosten verhinderten oftmals den Umstieg, da herkömmliche Verpackungen und die Nutzung von fossilen Rohstoffen immer noch gefördert würden und der Markt somit verzerrt sei. Regularien wie das Verbot, Mehrwegprodukte aus dem Lebensmittelsegment zu recyclen, verhinderten oftmals die letzten Schritte hin zu einem funktionierenden Kreislaufmodell.
Alle Speaker*innen waren sich einig: Deutschland und Europa müssten die Subvention von fossilen Produkten beenden und Regularien anpassen, damit sich kreislauffähige Ansätze unter fairen Marktbedingungen durchsetzen können.
Chocal, Vytal und Traceless haben kreislauffähige Geschäftsmodelle für Kunststoff entwickelt
Die kreislauffähigen Geschäftsmodelle der auf dem Panel vertretenen Unternehmen könnten aufgrund der Regularien noch nicht immer in geschlossenen Kreisläufen funktionieren, erklärt Isabel Thoma, die Leiterin der Abteilung Impact Communications bei Traceless. Die Förderungen von fossilen Rohstoffen müsse beendet werden.. „Viele Vorschriften, die uns zurückhalten, stammen aus einer vergangenen Zeit, in der Kreislauffähigkeit keine Rolle spielte. Genau diese Vorschriften, müssen wir endlich ändern”, so Thoma. Das Hamburger Unternehmen Traceless nutzt Abfallprodukte der Getreideverarbeitung, um in einem patentierten Verfahren ein Produkt zu schaffen, das ähnliche Eigenschaften wie Plastik besitzt. Es kann in den gleichen Maschinen geschmolzen und geformt werden, ist allerdings im Gegensatz zu herkömmlichem Plastik innerhalb von neun Wochen gänzlich kompostierbar.
“Es ist eine Frage der Zeit, wann die Rahmenbedingungen endlich angepasst werden. Dass wir unseren Umgang mit Rohstoffen ändern müssen, ist allerdings unausweichlich”, so Alexander von Niessen, Geschäftsführer von Chocal. Chocals Produkte ersetzen Verpackungsplastik durch Papier und können so teilweise bis zu 70 Prozent an Material einsparen. Außerdem hat das Verpackungsunternehmen aus dem baden-württembergischen Schwäbisch Gmünd einen Biopolymer entwickelt, der vollständig kompostierbar ist. Von Niessen warnte vor den Folgen von falsch entsorgtem Plastik und hob die Bedeutung von recycelbaren und kompostierbaren Verpackungen hervor.
Ole Scharpen präsentierte das Mehrwegsystem von Vytal, das in 17 Ländern zum Einsatz kommt und Lebensmittel- und Getränkebehälter aus Polypropylen verwendet. Mit einer Rücklaufquote von 99,2 Prozent konnten so bisher 9,2 Millionen Einwegverpackungen vermieden werden. Scharpen betonte, dass finanzielle Anreize notwendig seien, um die Akzeptanz wiederverwendbarer Verpackungen zu erhöhen. Vytal dürfe seine Produkte noch nicht selbst recyceln, da es rechtlich noch nicht erlaubt sei, Polypropylen aus dem Lebensmittelbereich wieder in den Kreislauf zurückzuführen. Eine Änderung dieses Gesetzes wäre für Vytal auch finanziell sinnvoll, so Scharpen. Er hält eine Steuer auf Einwegprodukte ergänzend zu der Mehrwegangebotspflicht für sinnvoll, da sich in anderen Ländern die positive Wirkung einer solchen Steuer bereits gezeigt habe.
Gastgeber Momox versuche ebenfalls, seine Emissionen weiter zu reduzieren und will langfristig neue Möglichkeiten nutzen, Produkte zu verpacken, so Shawn Lowery-Smith, Senior Manager im Bereich Operations Strategy bei Momox. Neben recyceltem Karton wolle Momox in Zukunft vor allem auf mehrfach nutzbare Verpackungen setzen und Transportwege sparen, indem mehrere Produkte zusammen statt einzeln versendet werden.
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Unsere Eventreihe “Berlin, du bist so cradlebar” geht in die letzte Runde
Am 10. Juli 2024 findet unser letztes Event der Reihe „Berlin, Du bist so Cradlebar” mit dem Thema „Zirkuläre Gründungen nach C2C“” in Steglitz bei der Stiftung Entrepreneurship statt.
Hier könnt ihr euch für das Event anmelden oder eure Ideen für zirkuläre Geschäftsideen bis zum 28. Juni unter einreichen.