Wir haben mit dem Schaumglasplattenhersteller und unserem Impact Partner GLAPOR über die Vorteile von Cradle to Cradle gesprochen, über die Bedeutung echter Materialkreisläufe und über Rahmenbedingungen, die den Wandel beschleunigen. In der Erweiterung des C2C LAB testet GLAPOR, wie sich ihre Konstruktionen unter realen Lasten, verschiedenen Aufbauhöhen und Montagebedingungen verhalten. Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, das Verständnis von zirkulärem Bauen weltweit voranzubringen. Welche Veränderungen und welches Umdenken laut Helge Bo Flöge, Innovations- und Nachhaltigkeitsdirektor bei GLAPOR, dafür nötig sind, erfahrt ihr im Interview.
1. Was macht GLAPOR – und warum setzen Sie auf Cradle to Cradle?
Helge Bo Flöge: GLAPOR entwickelt und produziert Schaumglasplatten aus 100 % Recyclingglas – ein Material, das sowohl statisch belastbar als auch dauerhaft feuchte- und druckstabil ist. Wir verstehen uns nicht nur als Dämmstoffhersteller, sondern als Enabler einer neuen Baukultur: leicht, robust, CO₂-arm und zirkulierend. Cradle to Cradle ist dafür kein Marketinglabel, sondern der logische Ingenieurs-Schritt: Ein Material, das chemisch inert ist, keine Verbundstoffe benötigt und nach Jahrzehnten wieder in gleicher Qualität eingebaut werden kann, erfüllt die zirkuläre Logik systemisch. Genau deshalb setzen wir darauf.
2. Wächst in der Bau- und Dämmstoffbranche das Bewusstsein für geschlossene Materialkreisläufe?
Helge Bo Flöge: Ja – aber mit deutlicher Verzögerung. Während Architekturbüros, Universitäten und progressive Bauherren längst von Urban Mining und kreislauffähigen Systemen sprechen, verharrt ein großer Teil der Branche noch im linearen Denken. Die Frage „Wie bekomme ich Stoffe wieder aus dem Gebäude heraus, ohne sie zu zerstören?“ wird zwar häufiger gestellt, aber selten durchgängig beantwortet. Der Druck kommt deshalb weniger aus der Branche selbst, sondern aus Klimapolitik, Taxonomie, CO₂-Bilanzen und den Betriebsrisiken, die linearer Bau hinterlässt.
3. Aktuell setzen Sie Ihre Schaumglasplatten im Ausbau des C2C LAB ein – wie testen Sie Innovationen dort unter realen Bedingungen?
GLAPOR: Das C2C LAB ist für uns ein Reallabor: Dort verbauen wir unsere Schaumglasplatten in einer Sanierungsmaßnahme des Bodens – und testen, wie sich Konstruktionen unter realen Lasten, Aufbauhöhe und Montagebedingungen verhalten. Der entscheidende Mehrwert: Wir beobachten live, wie Elemente montiert, demontiert und erneut eingesetzt werden können. Das heißt, wir prüfen nicht nur physikalische Werte, sondern auch systemische Reuse-Fähigkeit – der eigentliche Kern zirkulärer Baulogik.
4. Wie zeigt sich der wirtschaftliche Nutzen von C2C?
Helge Bo Flöge: Wirtschaftlich betrachtet ist C2C kein Kostenfaktor, sondern eine Risikoversicherung:
- Weniger Entsorgungskosten (Schaumglas ist voll re-nutzbar).
- Geringere Lebenszykluskosten durch langlebige, unveränderliche Materialeigenschaften.
- Planungssicherheit über Jahrzehnte, weil das Material nicht altert, nicht brennt und nicht verrottet.
- Höherer Gebäudewert, da rückbaubare Systeme zunehmend in Finanzierungs- und Taxonomieprozessen berücksichtigt werden.
Circularity ist deshalb ökonomisch attraktiv, sobald man über die Bauphase hinausdenkt.
5. Welche politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen braucht es, damit zirkuläres Bauen zum Standard wird?
Helge Bo Flöge: Wir brauchen drei Dinge:
- Planungsrecht, das Reuse belohnt statt erschwert.
Normen und Zulassungen müssen reversible Systeme zulassen – nicht nur klassische Verbundkonstruktionen. - CO₂-basierte Bewertung und vor allem REUSE-Potentiale in Baufinanzierung und Ausschreibung. Wenn CO₂-Lasten und spätere Entsorgungskosten eingepreist werden, kippt der Markt automatisch von linear zu zirkulär.
- Verbindliche Materialpässe. Gebäude müssen endlich als Rohstoffbanken geführt werden. Nur so entsteht ein zweiter Markt für Bauteile – und damit echtes Urban Mining.
Wenn Politik, Wirtschaft und Baupraxis diese drei Faktoren zusammenbringen, wird zirkuläres Bauen nicht zur Vision, sondern zur Normalität.
Helge Bo Flöge ist Innovations- und Nachhaltigkeitsdirektor bei GLAPOR und eine der prägenden Stimmen der nachhaltigen Bauwende in Deutschland. Als Baufluencer mit Ingenieurhintergrund baut er Brücken zwischen Diskurs und Umsetzung – und bringt zirkuläre Baukonzepte dorthin, wo sie wirken müssen: in Planung, Architektur und auf die Baustelle.


