Text: Birgit Goldbecker & Anna-Karina Reibold
Bedeutet Energiewende sauberer Strom? Nein! Es geht um mehr als nur die Quelle. Es geht darum, wie wir zukunftsfähig denken – von der Wiege zur Wiege. Wir zeigen euch am Beispiel Labor Tempelhof, sechs nach C2C optimierten Großkonzerten, wie das geht, und warum nur kreislauffähige Energie wirklich nachhaltig ist.
Fossile Energieträger sind bald passé. Das ist uns allen klar. Laut Umweltbundesamt deckten 2024 erneuerbare Energien etwa 54,4 % des Bruttostromverbrauchs. Dennoch treiben fossile Energien die Klimakrise weiter voran und verursachen in Deutschland über 80 % der Treibhausgasemissionen. Wir müssen die Energiewende jetzt entschieden vorantreiben. Aber Achtung: Wer nur auf den Ausbau von Solar- und Windkraft mit linearen Anlagen setzt, läuft Gefahr, das Problem nur zeitlich zu verschieben. Wir handeln nur weniger schlecht, statt endlich richtig gut!
Wir müssen uns der Frage stellen: Was passiert mit riesigen Windkraftanlagen oder Millionen Solarmodulen, wenn sie am Ende ihrer Lebensdauer angelangt sind und nicht kreislauffähig designt wurden? Genau: Es entsteht ein gigantischer Berg Sondermüll.
Energie und Ressourcen im Doppelpack denken: Die C2C-Lösung
Cradle to Cradle will hier eine Wende: Wir müssen Energie und Ressourcen von Anfang an zusammendenken. Denn nur so schaffen wir positiven Mehrwert, der über CO₂-Reduktion hinausgeht. Neben einem beschleunigten Ausbau der Infrastruktur für erneuerbare Energien und Batterielösungen für die Speicherung braucht es zuallererst ein kreislauffähiges Design.
Das bedeutet: Erneuerbare Energien müssen in Anlagen produziert werden, deren Materialien selbst so konzipiert sind, dass sie nach ihrer Nutzung als wertvolle Nährstoffe – entweder biologisch oder technisch – in unendlichen Kreisläufen zirkulieren. Erst dann sind wir wirklich zukunftsfähig!
Labor Tempelhof macht’s vor
Wie sieht das konkret aus? Bei unserem Transformationsprojekt Labor Tempelhof in Berlin haben wir genau hingeschaut, welche Lösungen für eine große Veranstaltung (und darüber hinaus für Kommunen und Unternehmen) echten C2C-Mehrwert bieten.
Hier sind drei Beispiele, die zeigen, dass Zukunft machbar ist:
Grüner Strom: 100 % Ökostrom und deutliche CO₂-Ersparnis
Für die Hauptversorgung des Labor Tempelhofs setzten wir auf einen Feststromanschluss mit 100 % zertifiziertem Ökostrom der Berliner Stadtwerke – bei Openair-Veranstaltungen bisher die absolute Ausnahme. Gegenüber konventionellem Strom konnten wir so hochgerechnet 1.100 Tonnen CO₂ einsparen.
Der C2C-Gedanke dahinter: Der Kauf von Ökostrom fördert den Ausbau erneuerbarer Quellen. Das ist der Beitrag zur Energiewende, der Hand in Hand mit dem kreislauffähigen Design der Anlagen gehen muss.
Autarke Power: Sonnenenergie fürs Handy im C2C-Design
Um flexible, saubere Energie direkt vor Ort zu bieten, gab es im „Cradle Village“ Solarladestationen. Diese sogenannten Ladebäume produzierten autark sauberen Strom für Handys und mehr.
Der Clou: Das Gehäuse der Ladestation ist robust, wasserbeständig und kann vollständig recycelt werden. Es ist als technischer Nährstoff konzipiert, der nach seinem Einsatz im Kreislauf bleibt. Eine einfache, aber geniale Lösung – nicht nur für Festivals oder den nächsten Campingtrip, sondern auch für Regionen ohne sichere Stromversorgung!
Übergangslösung mit Weitblick: Treibstoff aus Pflanzenöl
Manchmal müssen schwer zugängliche Bereiche oder sicherheitsrelevante Anlagen autark betrieben werden. Anstatt auf schmutzigen Diesel zurückzugreifen, nutzten wir HVO-Kraftstoff (hydriertes Pflanzenöl) für Lichtmasten und andere notwendige Geräte.
HVO ist ein fossilfreier Kraftstoff, der bis zu 90 % CO₂-Emissionen im Vergleich zu herkömmlichem Diesel einspart. Es ist eine Übergangstechnologie, die uns hilft, die Lücken zu schließen, bis die vollständige Elektrifizierung mit kreislauffähigen Anlagen möglich ist.
Projekte wie das Labor Tempelhof zeigen, die Energiewende ist keine Frage des Verzichts, sondern der intelligenten Gestaltung. Sie muss die Ressourcen im Blick haben und positive Spuren hinterlassen.
Mehr über das Projekt sowie die wichtigsten Erkenntnisse und Herausforderungen findet ihr in unserem Guidebook.


