Der Vorschlag der EU-Kommission für ein europäisches Lieferkettengesetz geht in die richtige Richtung, jedoch fehlen konkrete Qualitätsanforderungen nach Cradle to Cradle wie Materialgesundheit und Kreislauffähigkeit. Neben sozialen Aspekten muss das EU-Gesetz Klima- und Ressourcenaspekte gleichermaßen aufgreifen und so einen ganzheitlichen Lösungsansatz liefern.
Vergangene Woche hat die EU-Kommission einen Vorschlag für ein europäisches Lieferkettengesetz vorgelegt, der deutlich weiter geht als das 2021 verabschiedete deutsche Pendant. Dass neben sozialen auch umwelt- und ressourcenbezogene Pflichten abgebildet sind, ist ein großer Fortschritt. Jedoch wurde die Chance verpasst, die Richtlinie durch konkrete Qualitätsanforderungen nach Cradle to Cradle für Wertschöpfungsketten mit dem politischen Ziel einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft zu verknüpfen.
Transparente Lieferketten müssen für alle gelten
Ein solches Gesetz auf europäischer Ebene war längst überfällig. In weiten Teilen geht es zurecht über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus. So ist beispielsweise eine Haftung – auch auf Managementebene – vorgesehen, die Verstöße gegen Menschenrechte sowie Umwelt- und Klimastandards entlang der gesamten Lieferkette und nicht nur bei direkten Zulieferern einschließt. Das Gesetz soll für alle Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten gelten, in Branchen mit einem besonders großen Risiko für Verstöße soll die Regelung bereits ab 250 Mitarbeitenden gelten. Das schließt beispielsweise die Textilbranche mit ein. Auch wenn diese Grenzwerte niedriger sind als im deutschen Lieferkettengesetz vorgeschrieben, betrifft die EU-Regelung Stand jetzt jedoch nur 1 % aller Unternehmen in der EU. Zahlreiche KMU, auch wenn sie in riskanten und ressourcenintensiven Branchen tätig sind, werden davon nicht erfasst. Faire und transparente Lieferketten sollten jedoch nicht nur für eine ausgewählte Anzahl von Unternehmen gelten. Hier herrscht also noch Nachschärfungsbedarf.
Der Mensch im Fokus
In unserer immer stärker global vernetzten Welt dürfen wir nicht vergessen, dass hinter jeder Lieferkette Menschen stehen. Der Mensch ist ein zentraler Aspekt von Cradle to Cradle: Wir Menschen sollten uns gegenseitig Gutes tun und uns und unserer Umwelt nicht schaden. Das sollte entlang der gesamten Lieferkette gelten: Von den Menschen in der Produktion, die unter fairen Bedingungen arbeiten, die ihrer Gesundheit nicht schaden, bis zu den Konsumierenden, die ein Recht auf Produkte haben, die gut für sie sind und aus ausschließlich gesunden Materialien bestehen. Wenn wir unsere Produkte von Anfang bis Ende der Lieferkette gesund und kreislauffähig gestalten und produzieren, schaffen wir einen echten Mehrwert für Mensch und Umwelt gleichermaßen.
Wir brauchen konkrete Qualitätsanforderungen nach Cradle to Cradle
Aspekte wie Materialgesundheit und Kreislauffähigkeit müssen also nicht nur in einzelne Produkte einfließen, sondern auch in sämtliche Liefer- und Wertschöpfungsketten. Diese Aspekte entsprechen Cradle to Cradle-Kriterien, die aktiv zu einem Ende von Ressourcenvergeudung, Müllentstehung, Umweltverschmutzung, Klimaschäden und gesundheitlichen und damit sozialen Risiken in der Produktion und beim Konsum beitragen. Ziel darf es nicht sein, Lieferketten weniger schlecht zu gestalten, weniger Umweltschäden zu verursachen und somit anstatt echter Wertschöpfung nur ein bisschen weniger Schadschöpfung zu betreiben. Konkrete Qualitätsanforderungen nach Cradle to Cradle müssen in jedem Schritt der Lieferkette gelten. Nur so können wir unsere Lieferketten wirklich positiv gestalten. Von diesem Ansatz fehlt im EU-Vorschlag leider jede Spur.
Klima- und Ressourcenschutz zusammendenken
Mit ihrem Vorschlag hat die EU es verpasst, einen ganzheitlichen Lösungsvorschlag für die zahlreichen, miteinander zusammenhängenden Probleme zu unterbreiten, die unfaire und intransparente Lieferketten verursachen. Doch in unserer immer stärker vernetzten Welt kann Silodenken keine Lösung sein. Unsere Lieferketten sind hoch komplex und betreffen neben sozialen auch diverse Umwelt- und Ressourcenaspekte. Diese Komplexität muss auch im Lieferkettengesetz abgebildet sein. Ein ganzheitlicher Ansatz der EU, der Wirtschafts-, Sozial-, Klima- und Ressourcenpolitik verbindet, lässt sich jedoch nicht erkennen. Während große Unternehmen dazu verpflichtet werden die Klimafolgen ihrer Tätigkeit zu analysieren, gilt dies nicht für ihren Umgang mit Ressourcen. Klima- und Ressourcenaspekte müssen jedoch bei der Transformation unserer Wirtschaft gemeinsam gedacht werden. Denn gerade ein anderer Umgang mit Ressourcen entlang der gesamten Wertschöpfungskette kann zu einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft mit sozial und ökologisch zukunftsfähigen Lieferketten führen.