Bei Cradle to Cradle NGO gibt es zahlreiche sportliche Menschen: Die meisten kommen jeden Tag ins C2C LAB geradelt, manche auch im Winter. Auch einige Jogger*innen und Ski-Fans gibt es im Team. Für alle, die sich – wie wir – bei jeder Wetterlage richtig auspowern, aber auch für alle Gelegenheitssportler*innen, beschäftigen wir uns hier mit dem Thema Sport nach Cradle to Cradle, genauer genommen mit Klamotten und anderen Sportartikeln.
Einmal beim Joggen ausgerutscht, beim Fußball zu doll am Shirt gezogen oder am Skilift hängen geblieben und schon hat die Lieblings-Laufhose, das Fußballtrikot oder der neue knallbunte Skianzug einen kleinen Riss. Sportartikel, vor allem Klamotten, strapazieren wir mehr als Alltagskleidung. Auch deshalb nutzen Hersteller widerstandsfähiges Material wie Nylon oder andere synthetische Fasern. Nichtsdestotrotz ist die Lebensdauer unserer Sportartikel irgendwann zu Ende: Bälle sind zerfleddert oder vom Hund zerkaut, Skistöcke verbogen und die liebste Laufhose hat einfach zu viele Löcher.
Etwas bleibt auf der Strecke – Abrieb beim Laufen
Wenn Sportartikel weggeworfen werden, kann für ihre Bestandteile ein neues Leben beginnen. Doch dafür müssen die Produkte auch wirklich für Recycling geeignet und ihre Materialien sortenrein trennbar sein. Denn ansonsten kommt beim Recycling ein Material mit verminderter Qualität heraus. Und daneben gibt es ein weiteres Problem: der Abrieb. Auch vor dem Recyclingprozess können Sportartikel umweltschädigend wirken. Beim Rennen und Skifahren entsteht starke Reibung, durch die sich kleinste Fasern vom Stoff lösen. Auch die Sohle unserer Laufschuhe hinterlässt Abrieb, der dann als Mikroplastik in Wasser und Umwelt endet. Diese Bestandteile unserer Sportausrüstung sollten daher für die Biosphäre gemacht und biologisch abbaubar sein. So schützen wir die Umwelt vor Mikroplastik und können gleichzeitig sichergehen, dass die Stoffe auf der Haut getragen werden können. Baumwolle, Hanffasern oder Tencel sind zum Beispiel für die Biosphäre geeignet. Es gibt aber auch synthetische Fasern, die biologisch abbaubar sind.
Die Firma Runamics nutzt genau so ein Material für ihre Laufbekleidung. Die Shirts und Shorts bestehen aus Polyester und Nylon, das chemisch so verändert wurde, dass es biologisch abbaubar ist. Neben diesen synthetischen Stoffen, die die Sportkleidung atmungsaktiver machen, nutzt Runamics auch Baumwolle, Tencel und Merinowolle. Zudem wird darauf geachtet, keine umwelt- oder gesundheitsschädigenden Chemikalien in der Produktion zu verwenden.
Wachs auf Skiern, im Schnee und im Meer
Nicht nur Sportkleidung sollte nach Cradle to Cradle konzipiert sein. Auch bei anderen Sportartikeln entsteht Abrieb. Für viele Menschen sind Joggen und Skifahren attraktive Sportarten, weil man den ganzen Tag draußen in der Natur unterwegs ist. Aber genau dort hinterlassen unsere Skier eine Spur von Mikroplastik und anderen schädlichen Stoffen, wenn wir die Piste hinuntersausen oder durch die Schneelandschaft touren. Gerade beim Outdoor-Sport müssen wir die Materialien unseres Equipments genau prüfen, da der Abrieb, zum Beispiel von Skiwachs, sofort in der Umwelt landet – beim Skisport erstmal im Schnee. Der schmilzt irgendwann und läuft ins Tal und damit in Flüsse und Seen. So gelangen Mikroplastik und andere Schadstoffe schließlich in die Meere.
Mittlerweile gibt es Hersteller für biologisch abbaubare Skiwachse. Seit kurzem haben der Internationale Ski-Verband und die Internationale Biathlon-Union zudem den Gebrauch von fluorhaltigem Wachs verboten, denn die darin enthaltenen sogenannten PFAS (Per- und Polyfluoralkyl-Substanzen) sind äußerst umwelt- und gesundheitsschädigend und sind unter natürlichen Bedingungen in der Umwelt nicht abbaubar. Seit dieser Wintersaison 23/24 müssen alle Athlet*innen ihre Skier testen lassen, bevor sie auf die Piste oder die Loipe dürfen – ganz wie bei einem Dopingtest. Firmen, die biologisch abbaubares Skiwachs herstellen, sind zum Beispiel Nzero, HWK und Toko.
Wohin mit den alten Skiern?
Bei Skiern kommt erschwerend hinzu, dass sie heutzutage aus mehreren Schichten unterschiedlichster Materialien bestehen. Bis zu 50 verschiedene Komponenten werden für einen Ski verleimt oder sogar “verbacken” – unter anderem auch Carbonfasern. Maxi Gemsjäger, aktiv in der Cradle to Cradle-Regionalgruppe München, erzählt, dass Carbonfasern nicht in Müllverbrennungsanlagen verbrannt werden dürfen, da sie die elektronischen Filteranlagen zerstören und Kurzschlüsse verursachen können. Daher kommen aussortierte Skier vom Sperrmüll meist direkt auf die Deponie. Skifahrende würden im Durchschnitt alle 7-10 Jahre ihre Ski wechseln, so Maxi. Was also tun mit all den alten Skiern? Selbst wenn wir sie verbrennen könnten, würden die im Ski verbauten Rohstoffe verloren gehen. Recycling ist aufgrund der Verleimung und der vielen unterschiedlichen Materialien auch keine Option.
Maxi Gemsjäger hat deshalb einen Holzski entwickelt, der sich an früheren Skibauweisen orientiert. Statt 50 Komponenten besteht dieser Ski lediglich aus Holz und Stahlkanten, die mechanisch miteinander verbunden sind und sich einfach voneinander trennen lassen. Wenn der Ski irgendwann nicht mehr genutzt wird, kann das Holz durch Kompostierung Teil der Biosphäre bleiben und zu Nährstoff für Bäume werden. Die Stahlkanten kreisen weiter in der Technosphäre, indem sie eingeschmolzen und zu neuen Stahlprodukten verarbeitet werden. Für die Bindung empfiehlt sich eine Metallbindung, um auch hier möglichst Abrieb zu vermeiden. Bis jetzt sind sowohl diese Metallbindungen, als auch die Holzski eher für Skitouren geeignet und weniger fürs klassische Alpin-Ski. Maxi forscht in seinem Unternehmen aktuell nach biologisch abbaubaren Skibelägen, die für Alpin-Skier benötigt werden.
Ein Schuh on Demand
Neben einem von Cradle to Cradle inspirierten Design und biologisch abbaubaren Materialien entstehen auch in der Sportwelt neue Geschäftsmodelle nach dem Motto “Product as a Service”, um Ressourcen im Kreislauf zu halten. Runamics ruft seine Kund*innen dazu auf, ihre Kleidung zur Reparatur zurückzuschicken. Auch getragene Kleidung nimmt das Unternehmen zurück, um daraus Rohstoffe für neue Klamotten zu gewinnen. Das schweizer Unternehmen “On Running” geht noch einen Schritt weiter. Hier können Kund*innen einen monatlichen Beitrag zahlen und haben dadurch sozusagen ein Abonnement auf Laufschuhe und andere Sportbekleidung: Wenn die Schuhe durchgelaufen sind, können die Kund*innen sie zurückschicken und erhalten ein neues Paar.
Bei der EM geht es weiter
In einem so großen und vielseitigen Sektor wie dem Sport gibt es natürlich noch viele weitere Ansatzpunkte für Cradle to Cradle. C2C NGO-Vorständin Nora Griefahn sprach beispielsweise beim Nachhaltigkeitsforum der Deutschen Fußball Liga über die Möglichkeiten, Sportveranstaltungen nach Cradle to Cradle auszurichten, ähnlich wie es mit dem Labor Tempelhof schon für Konzerte gelungen ist. Das Thema wird wohl vor allem mit der diesjährigen Fußball-Europameisterschaft an Relevanz gewinnen: der Gastgeber Deutschland hat sich verpflichtet, ein klimafreundliches Großevent auszurichten. Inwiefern hier eine funktionierende Kreislaufwirtschaft nach Cradle to Cradle mitgedacht wird, erfahren wir im Sommer.