Digitalisierung, ein Gebiet, in dem Deutschland hinterherhinkt? Wir nehmen uns dem Thema an. Denn, wie wir bei unserem Event einmal wieder feststellen konnten, kann Kreislaufwirtschaft ohne Digitalisierung nicht funktionieren. Doch was genau muss digitalisiert werden?
Bei unserem mittlerweile siebten Event der Reihe “Berlin, du bist so cradlebar.” stand die Notwendigkeit der Digitalisierung für eine geschlossene Kreislaufwirtschaft nach Cradle to Cradle im Vordergrund. Im Freiraum in der Box im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hörte unser Publikum nach einem politischen Grußwort der Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann und einer kurzen Einführung in Cradle to Cradle von der NGO-Vorständin Nora Sophie Griefahn eine Keynote-Präsentation von Mike Werner, Head of Sustainability Programs & Innovation bei Google.
Für die anschließende Paneldiskussion kamen Stefanie Moser von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Annika Stuckenhoff von der BDI-Initiative Circular Economy, Nora Sophie Griefahn und Elena Petkova von Concular auf die Bühne. Die Moderation übernahm Isabel Gomez, Teil der Geschäftsleitung von C2C NGO. Weitere Beiträge kamen von Niklas Seibel von Madaster und Carolina Mojto vom Freiraum in der Box. Vor und nach dem Event konnten die Anwesenden außerdem einen Blick in unsere C2C-Ausstellung werfen, die aktuell im Freiraum gezeigt wird.
Von Friedrichshain bis Silicon Valley
In ihrem Grußwort erklärte Clara Herrmann, dass Friedrichshain-Kreuzberg der Bezirk sei, in dem Herausforderungen und Transformationen angegangen werden könnten und lud die Bürger*innen zur Zusammenarbeit und zum Einbringen eigener Ideen ein: “Auch wenn es wilde oder revolutionäre Ideen sind, in Friedrichshain-Kreuzberg ist das richtig aufgehoben.” Herrmann lädt auch zur Klimawerkstatt ein, die das Bezirksamt im Laufe des Jahres mehrfach veranstalten wird und bei der Klimaschutz und -anpassung im Bezirk diskutiert werden.
Mike Werner sprach in seiner Keynote über die Beiträge, die Google zur Circular Economy leiste. Unter anderem haben Google und Apple den Safer Chemistry Impact Fund eingerichtet, der Unternehmen dabei unterstützen soll, sichere, also gesunde und umweltfreundliche Chemikalien zu identifizieren und so die Nutzung von schädlichen Chemikalien zu verhindern. Eine Maßnahme dieses Fonds sei es, eine öffentlich verfügbare Datenbank anzulegen, die Informationen und Bewertungen zu gefährlichen Chemikalien enthält. So müssten die Unternehmen nicht für jede einzelne Chemikalie mehrere tausend Dollar ausgeben, um von Instituten Bewertungen einzuholen. Das sei “weder bezahlbar, noch skalierbar”, so Werners Einschätzung.
Wir brauchen Digitalisierung – aber wie?
Bei der Podiumsdiskussion waren sich alle Panelistinnen schnell einig: Digitalisierung? Auf jeden Fall, aber nicht irgendwie, sondern von Anfang an durchdacht. Stefanie Moser, Referentin für Digitalpolitik, erklärte gleich am Anfang: “Was mich am digitalpolitischen Diskurs gestört hat, ist dass viele sagen, Digitalisierung sei per se gut, ohne danach zu fragen, wie wir die Digitalisierung eigentlich designen, wozu wir sie eigentlich brauchen.” Die Friedrich-Ebert-Stiftung habe sich mit den Möglichkeiten der Digitalisierung zur Bekämpfung der Klima- und Ressourcenkrise auseinandergesetzt. Dabei stieß man schnell auf das Thema Circular Economy, wie zum Beispiel auf den digitalen Produktpass, den die EU jetzt einführt. Ohne die richtigen Daten, komme man jedoch nicht weiter. Das seien vor allem Daten im Zusammenhang mit einer Kreislaufführung, also Materialzusammensetzung, Recyclingfähigkeit, Gesundheitsschädlichkeit, etc.
Sowohl Daten als auch Verordnungen müssen vereinheitlicht werden
Genau so einen Materialpass erstellt Concular für Gebäude. Elena Petkova, Architektin, erklärte: “Wir versuchen Materialien eine Identität zu geben.” Zum einen analysiere Concular Bestände, die verwendeten Materialien und deren Wiederverwendungspotential, digitalisiere dann diese Materialbestände. Zum anderen vermittle das junge Unternehmen diesen Materialien anschließend ein zweites Leben und führe sie zurück in den Kreislauf. Auch für Neubauten oder bei Umbauten werde das Digitalprodukt eingesetzt. Damit könne dann auch der CO2-Fußabdruck berechnet werden. Ihr Wunsch sei es nun, dass diese Art von Produktpässen in eine Datensprache vereinheitlicht wird, sodass jedes Gebäude einen standardisierten Pass hat.
Wie Moser sprach sich auch Annika Stuckenhoff, Referentin für Circular Economy Regulierung, für die Sammlung von Daten als Kern der Digitalisierung aus. Zudem müssten Verordnungen und Gesetzesentwürfe zusammengeführt werden. Aktuell würden beispielsweise fünf unterschiedliche Verordnungen auf EU-Ebene diskutiert, die zum Teil ähnliche Konzepte beinhalten. In diesem Zusammenhang sprach sich Annika für mehr Kohärenz in der Gesetzgebung aus, sowohl in Brüssel mit Blick auf die Regulierung unterschiedlicher Sektoren, als auch im Zusammenspiel zwischen EU-Verordnungen und ihrer Umsetzung auf nationaler Ebene in den Mitgliedsstaaten.
Nora Griefahn stimmte ihren Vorrednerinnen in Bezug auf eine effektive Nutzung von digitalen Lösungen zu. Die Digitalisierung sei kein Selbstzweck: “Wir müssen erstmal überlegen, was gebraucht wird, bevor ein neuer Prozess entsteht, der dann nach der Fertigstellung nochmal geändert werden muss”, sagte sie.
Die gebaute Umwelt als Produktlager
Ähnlich wie Concular, speichert auch Madaster Daten zu Gebäuden und erstellt einen sogenannten digitalen Zwilling von Bauwerken. Niklas Seibel, der das Unternehmen beim Event vorstellte, erklärte: “Wir wollen die gebaute Umwelt nicht nur als urbane Mine, sondern als Material- und Produktlager verstehen.” Nora Griefahn fügte hinzu, dass sie es besonders wichtig fände, dass Madaster auch den Wert der Materialien speichere. So könne man genau den Überblick behalten, wie viel “Geld verbaut” sei und dann damit handeln, wie an der Börse.
Carolina Mojto, Architektin und Gründerin des Freiraum in der Box, erzählte zum Schluss des Events aus der Praxis des Freiraum-Projektes. Für den Umbau habe man mit Concular zusammengearbeitet und so zum Beispiel Glaswänden aus einem ehemaligen Hochhaus am berühmten Bahnhof Zoo ein zweites Leben gegeben. Nun wolle sie mit dem Freiraum “ins Machen kommen” und gab daraufhin einen Einblick in die dort bereits umgesetzten und laufenden Projekte.
Falls ihr erfahren wollt, was noch alles am Abend besprochen wurde, dann schaut doch ganz digital in den Livestream vom Event. Alle, die live dabei sein möchten, können sich außerdem hier für das nächste Event zum Thema “Zirkuläre Druckmittel” anmelden.