C2C ist keine Utopie, sondern gelebte Praxis: Das wurde beim C2CC23 erneut deutlich. Der C2C Congress bietet Unternehmen und anderen C2C-Akteuren eine Bühne, um über spannende C2C-Beispiele aus der Praxis zu sprechen. Von Best Practices aus dem Textilbereich über Remanufacturing und die Messbarkeit von Zirkularität bis hin zu Nährstoffkreisläufen und Gesundheit – die parallelen Foren am 1. Congresstag bildeten die ganze Bandbreite von C2C ab.
Die Textilbranche ist eine der ressourcenintensivsten Industrien der Welt. 2020 wurden durch die Produktion und den Konsum von Textilien pro Kopf etwa 400 Quadratmeter Landfläche, 9 Kubikmeter Wasser und 391 Kilogramm Rohstoffe verbraucht. Doch der C2C Congress zeigte, dass es auch anders geht. Beispielsweise bei Step Zero, die kreislauffähige Schuhe und Sohlen entwickeln und in diesem Jahr in Kooperation mit den Schuhherstellern Salomon und Heierling ein Projekt für einen biologisch abbaubaren Skischuh gestartet haben, wie CEO Claude Rieser im von Inez Bjøerg David, Schauspielerin & Beirätin C2C NGO, moderierten Panel berichtete. “Um alle Bestandteile leichter in den Kreislauf zurückführen zu können, haben wir die Anzahl der Bestandteile von 40 auf 15 reduziert”, so Rieser. “Wichtig ist es, den Prozess überhaupt anzustoßen. Die Unternehmen haben Zeit diese Umsetzung nach C2C dann Schritt für Schritt voranzubringen”, ergänzte Prof. Daniel Aeschbacher von Epea Switzerland, der Unternehmen wie Step Zero auf ihrem C2C-Weg begleitet. Als zweites Beispiel stellte Thomas Lamparter, Vertriebsleiter von Wet-green, Olivenleder vor, einen materialgesunden Gerbstoff für Leder, der aus Olivenblättern hergestellt wird. “Der Olivengärbstoff ist so gesund, dass die Mitarbeiter*innen ihn ohne Schutzkleidung verwenden können”, so Lamparter mit Blick auf die Materialgesundheit des Produkt.
Wie können wir C2C messen?
Die Messbarkeit von Materialgesundheit und Zirkularität war Thema im zweiten parallelen Forum. Charles van Reij, Globaler Leiter Verpackungen, Papier und Druck beim Cradle to Cradle Products Innovation Institute, berichtete von der Zusammenarbeit der C2C-Zertifizierungsstelle mit Unternehmen, die C2C in ihren Produkten und Wertschöpfungsketten umsetzen wollen: “Wir fordern die Unternehmen durch unsere Messungen und die Zertifizierung heraus, ein immer höheres Nachhaltigkeitsniveau zu erreichen.” Um Unternehmen von C2C zu überzeugen, müsse man die ökonomischen Vorteile aufzeigen, betonte Alexander Meyer zum Felde, Partner & Associate Director der Boston Consulting Group. Der Vorteil von C2C sei dabei der ganzheitliche Ansatz: “Bei C2C geht es um die systemische Transformation. Ich glaube wirklich, dass wir C2C bei jedem Produkt und jedem Material, das wir verwenden, anwenden müssen”, so Meyer zum Felde. Nono Leermakers, Project Manager bei EPEA – Part of Drees & Sommer, betonte abschließend, dass es am einfachsten sei, Zirkularität zu messen, wenn die Inhaltsstoffe von Produkten klar definiert seien. “Unter dem Begriff der Circular Economy werden oft die falschen Parameter angelegt. Wir müssen Materialien nutzen, die für ein bestimmtes Nutzungsszenario geeignet und klar definiert sind”, so Leermakers.
Remanufacturing und Cradle to Cradle
Im dritten parallelen Forum ging es um die Frage, wie durch Remanufacturing sekundäre Materialien und Rohstoffe wiederverwendet werden können, ohne dass dabei die Qualität von Materialien und Produkten sinkt. Remanufacturing dürfe nicht mit Recycling gleichgesetzt werden, sondern sei eine weitere Komponente einer Kreislaufwirtschaft, betonte Hannes Geist, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institute for Sustainable Systems Engineering INATECH. “Remanufacturing ist ein Teil von Cradle to Cradle, wenn wir uns in der Technosphäre mit technischen Nährstoffen befinden.” Der Zulieferkonzern ZF setzt diese Komponente in seinem Nutzfahrzeugwerk in Bielefeld bereits um. “Wir treiben das Thema voran, indem wir unsere C2C-Bauteile vom Kunden zurückverlangen, sie aufarbeiten und dabei etwa 95 % des ursprünglichen Materials erhalten”, sagte Jörg Witthöft, Standortleiter von ZF Bielefeld. Ziel sei es, den Anteil weiter zu steigern. Wichtig sei, dass das Remanufacturing bereits von Beginn an mitgedacht werde, sagte Wilhelm Mauß, Geschäftsführer des Wasserzählerherstellers Lorenz. “Ein für Remanufacturing geeignetes Produkt muss bereits so entwickelt sein, dass es dem C2C Design gerecht wird.” Digitale Prozesse können dabei unterstützen, diese bereits kreislauffähig designten Produkte ohne Qualitätsverlust aufzuarbeiten und wieder einzusetzen. “Vor allem Prozessautomatisierung und Datenverarbeitung können Remanufacturing massiv unterstützen”, sagte Niclas Mauß, Co-Gründer der Initiative Circular Republic. Noch fehlen vor allem klare gesetzliche Rahmenbedingungen, die Ansätze wie Remanufacturing in die Breite bringen können. Denn die Unternehmen müssten sich dabei Fragen nach der Produktsicherheit und -haftung stellen. “Der Blick auf die EU-Gesetzgebung zeigt heute noch ein großes Durcheinander – das ist nicht gut, denn auf dieser Grundlage gibt es heute keine einheitliche Rechtssicherheit”, plädierte Rechtsanwalt Dr. Jens Nusser für eine Harmonisierung der Gesetzgebung. Um diese zu ermöglichen, arbeitet das Deutsche Institut für Normung an Normen und Definitionen für den Umgang mit aufgearbeiteten Produkten. Es gebe einige Punkte, die heute noch nicht klar definiert seien, wie etwa die Abgrenzung von Remanufacturing zu Refurbishment, sagte Anna Trawnitschek, Projektmanagerin Circular Economy bei der DIN. Derzeit arbeite die DIN unter anderem daran, Qualitätsstufen für Remanufacturing in einem Standard abzubilden. “Wir nehmen das Thema C2C dabei sehr ernst und versuchen es an vielen Stellen einzubringen,” so Trawnitschek.
Gesunde Produkte, gesunde Menschen
“Gesundheit ist zentral aus C2C-Perspektive”, machte Katja Hansen, Research Fellow TUM & Beirätin C2C NGO, im Panel zu C2C und Gesundheit deutlich, das von Maike Voss, Geschäftsführende Direktorin des Centre for Planetary Health Policy & Beirätin C2C NGO, moderiert wurde. “Es gibt eine Verbindung zwischen gesunden Produkten und gesunden Menschen”, sagte auch Environmental Health Innovator Douglas Mulhall in seinem Videoinput. Das Sentinel Haus Institut setzt sich insbesondere für Wohngesundheit ein, vor allem durch Schulungen und Wissensvermittlung: “Es ist in diesem Bereich ein ganz wichtiges Thema, dass wir die Menschen aufklären”, so Peter Bachmann, Gründer & Geschäftsführer des Sentinel Haus Instituts. Strengere Regulierungen und die Aufklärung von Konsument*innen müssten dabei Hand in Hand gehen, ergänzte Dr. Marike Kolossa-Gehring, Leiterin Fachgebiet Toxikologie und gesundheitsbezogene Umweltbeobachtung beim Umweltbundesamt. Ein Problem dabei sei die komplexe Zusammensetzung vieler Produkte. “Bei Materialgesundheit ist das Problem, dass wir meistens gar nicht wissen, womit wir es zu tun haben, wenn wir ein Produkt in der Hand halten. In einem Waschmittel sind 50-100 unterschiedliche Stoffe drin. Deshalb ist es wichtig, dass wir erst einmal verstehen, woraus Produkte bestehen”, sagte sie. Dr. med. Matthias Albrecht beschäftigt sich als Ärztlicher Leiter des Kompetenzzentrums für klimaresiliente Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen mit Nachhaltigkeit in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. “Diejenigen, die dafür zuständig sind, Gesundheit zu erzeugen, sind gleichzeitig große Emittenten von Schadstoffen”, machte Albrecht deutlich. Das betreffe nicht nur den CO₂-Ausstoß von Krankenhäusern, sondern auch die Chemikalienbelastung des Abwassers durch Medikamente und die Materialgesundheit und Kreislauffähigkeit von medizinischen Produkten, wie Handschuhen oder Spritzen.
Nährstoffe im Kreislauf
Wie können wir auch in der Landwirtschaft Nährstoffkreisläufe schließen und wichtige Rohstoffe wie Phosphor im Kreislauf führen? Dafür setzen sich das Forschungsprojekt Zirkulierbar und der Hersteller von Trockentoiletten, Finizio, ein. Aus den Komposttoiletten von Finizio werden im Rahmen des Forschungsprojekts die anfallenden Feststoffe zu Humus kompostiert und aus dem Urin wird Phosphor zurückgewonnen und zu Flüssigdünger verarbeitet. “Wir sammeln die Fäkalien ein ohne zusätzlich Wasser hinzuzufügen, da wir sie im trockenen Zustand sehr viel besser aufbereiten können und so die Möglichkeit haben, Medikamentenrückstände wieder herauszufiltern“, erläuterte Florian Augustin, Geschäftsführer von Finizio, das Prinzip seiner Trockentrenntoiletten. “Im Endeffekt geht es darum, die komplette Palette an Nährstoffen zurückzugewinnen”, ergänzte Dr. Ariane Krause, die das Forschungsprojekt koordiniert. Dabei ginge es vor allem um Phosphorrückgewinnung, aber auch um die Kreislaufführung von Stickstoff müsse sich die Landwirtschaft Gedanken machen. Hier sind auch Kommunen gefragt: Bis 2029 sind Kommunen verpflichtet, die Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm sicherzustellen. Die Kreiswerke Barnim gehen hier voran. “Kommunen sind nicht für Innovation bekannt, das ist im Kreis Barnim anders“, so Christian Mehnert, Geschäftsführer der Kreiswerke Barnim, die das Zirkulierbar-Projekt als Projektpartner unterstützen. Mehr zur Kreislaufführung von Nährstoffen könnt ihr hier nachlesen.
Das Programm der Hauptbühne am 1. Congresstag haben wir hier zusammengefasst.