C2C e.V.: Sarah, Du warst im Jahr 2016 Akteurin des Cradle to Cradle Congresses und bist Beiratsmitglied im C2C e.V.. Bei Deiner Arbeit als Köchin, Unternehmerin und Buchautorin setzt Du dich für eine gesunde und nachhaltige Ernährung ein. Was bedeutet Cradle to Cradle für Dich und wo siehst Du Gemeinsamkeiten im Hinblick auf Deine Arbeit?
Sarah Wiener: C2C ist ja das Vorstellen eines neuen Wirtschaftssystems, um die enormen menschengemachten Probleme zu etwas schönem und zukunftsfähigem zu transformieren. Daher kann sich jeder Mensch und jeder Beruf mit C2C verbinden und eine Verbesserung anstreben.
Wir haben in der Praxis zwei verschiedene Kreislaufsysteme. Das technische und das biologische. Während man beim ersteren durchaus sehr erfolgreich und schnell Ressourcen zu einem Upcycling nutzen könnte, unterliegen die biologischen Ressourcen einem komplexeren Kreislauf. Wir verschwenden und vernichten zum Beispiel alle menschlichen Nährstoffe, die wir ausstoßen, die dann wiederum dem Boden fehlen. Zurzeit begehen wir virtuellen Landraub in ärmeren Ländern, hauptsächlich durch den Import von Tierfuttermittel und überdüngen damit unsere Böden. Wir brauchen den komplexen Kreislaufgedanken um kinder- und enkelfähig zu werden. Als Köchin interessiere ich mich natürlich sehr für die Qualität von Lebensmitteln, Böden und Rassen.
C2C e.V.: Wo liegen nach Deiner Ansicht die größten Probleme in der westlichen Ernährungsweise?
Sarah Wiener: Zum einem an dem immer grösser werdenden Anteil an toter Nahrung, die schwerst verarbeitet in den Regalen in Plastik eingeschweißt steht. Zum anderen an der Vernichtung von Vielfalt und dem Dominanzstreben weltweit, dass wir anderen Ländern eine Lösung anzubieten hätten. Alles was heute im Regal steht, war letztes Jahr noch nicht da und was nächstes Jahr da sein wird, das wissen wir noch nicht. Deswegen sind dezentrale regionale Systeme immer stressresistenter und sinnvoller als global agierende Großkonzerne, die ihr Augenmerk auf Gewinnmaximierung legen.
C2C e.V.: Nach dem Cradle to Cradle Designkonzept bedeutet Qualität unter anderem, dass Menschen und Ökosysteme weder bei der Herstellung, noch beim Nutzen geschädigt werden. Was hast Du bei Deinen Recherchen zur Lebensmittelqualität diesbezüglich herausgefunden?
Sarah Wiener: Das wir davon leider noch recht weit entfernt sind. Veränderungen brauchen das Bewusstsein dazu und den Willen. Zum Glück tut sich da einiges.
C2C e.V.: Derzeit sieht kein Bio-Siegel eine Kreislaufschließung der Nährstoffe vor, bei der auch wir Menschen dazugehören. Peak-Phosphor ist nur ein Symptom davon, Humusverlust ein anderes. Wie können Kreisläufe in der Landwirtschaft zukünftig geschlossen werden?
Sarah Wiener: Zum Beispiel durch bodengebundene Tierhaltung und indem wir uns den gesamten Kreislauf an Transformation bewusst machen.
C2C e.V.: Wenn wir nun die Konsument*innen mit einbeziehen: Was bedeutet also vernünftige und nachhaltige Ernährung? Gibt es Grundregeln, die jede*r einhalten kann?
Sarah Wiener: Der Weg ist das Ziel. Regionale und saisonale Lebensmittel, die frisch und unverpackt sind, am besten aus ökologischem Anbau von Kleinbauern wäre schon ein sehr guter Anfang. Das schmeckt ja auch am besten und verbindet uns wieder mit der Erde von und auf der wir leben. Für Fortgeschrittene: Terra Preta wäre auch ein Teil des richtigen Kreislaufes. Keine Wasserverschwendung mehr für Toiletten, dafür fruchtbarer Humus für den Garten.
C2C e.V.: Ist eine sinnvolle Nahrungsproduktion vereinbar mit dem derzeitigen Wirtschaftsmarkt?
Sarah Wiener: Eindeutig nein. Du kannst im falschen System zwar das Richtige versuchen. Aber erfolgreich wirst du, wenn überhaupt, nurin einer kleinen Nische sein, wenn du in den Wettbewerb mit geltenden Regeln trittst. Das wird aber zum Überleben der Menschheit nicht reichen.
C2C e.V.: Denkst Du, dass wir dennoch die Welt zum positiven verändern können und sogar einen positiven Fußabdruck hinterlassen können?
Sarah Wiener: Aber natürlich! Die Schönheit und Gesundheit der Natur ist auch unsere Schönheit und Gesundheit. Das ist doch das Wunderbare: alles was uns gut tut, ist auch gut für die Natur. Das Leben muss kein Verzicht sein. Es ist zukunftsfähige Freude, Respekt und Sinnlichkeit. Das wollen wir doch alle. Wir sollten nur darüber nachdenken und die vielen guten Beispiele mutig umsetzen.
Dieses Interview ist erstmals im Printmagazin NÄHRSTOFF #2 erschienen.