Zwei Tage voller spannender Diskussionen um den Stand der Circular Economy, inspirierende Best Practices von C2C-Unternehmen und solchen, die sich auf dem Weg dahin befinden, wissenschaftliche Diskurse und jede Menge Gelegenheit für Austausch und Vernetzung: Das war der 8. Internationale Cradle to Cradle Congress an der TU Berlin. In diesem Blog fassen wir die Panels der Hauptbühne am Freitag zusammen.
Die Schirmherrschaft des diesjährigen Congress lag beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und der Präsidentin der TU Berlin, Prof. Dr. Geraldine Rauch.
In Vertretung von Prof. Dr. Rauch sprach Christian Schröder, Vizepräsident für Studium und Lehre der TU Berlin, das Grußwort und betonte den Austausch zwischen Akteur*innen aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, den der C2C Congress ermögliche: “Was wir brauchen, sind Räume, in denen man Austausch ermöglichen kann, genau das haben wir hier an der TU Berlin.”
In der ersten Keynote des Tages erläuterte C2C-Vordenker Prof. Dr. Michael Braungart, Professor für Cradle to Cradle an der Leuphana Universität Lüneburg und Mitglied im Beirat von C2C NGO, warum wir den positiven Ansatz von Cradle to Cradle brauchen und Menschen als Nützlinge betrachten sollten: „Wenn man Menschen als Chance begreift, benehmen sie sich so. Wenn man Menschen als Belastung begreift, benehmen sie sich auch so.“
Zukunftsfähige Mobilitätskonzepte mit Cradle to Cradle
Dieser Grundgedanke von C2C, Mehrwert zu schaffen, statt ausschließlich auf Reduktion und Verzicht zu setzen, lässt sich auf alle Branchen übertragen – auch auf Mobilität & Logistik, dem Special Track des C2CC23. Dass hier noch Nachholbedarf besteht, ist klar: Der Verkehrssektor verfehlt bislang die deutschen Klimaziele und ist weiterhin für 20 % der deutschen Treibhausgasemissionen und einen erheblichen Ressourcenverbrauch verantwortlich. Wie sich das ändern kann, diskutierten im von C2C NGO-Beirätin Nina Eichinger moderierten Panel die Berliner Verkehrssenatorin Manja Schreiner, Prof. Dr. Michael Braungart, Prof. Dr. Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Max-Christian Lange, Stellvertretender Leiter Nachhaltigkeit bei der Deutschen Bahn und Alain Visser, CEO des Auto-Sharing-Anbieters Lynk.
In ihrem Input betonte Schreiner, wie eng Mobilität und Stadtentwicklung zusammenhängen. Die Berliner Senatsverwaltung wolle bis 2045 klimaneutral sein und habe dafür ein Sondervermögen von 5 Milliarden Euro beschlossen. Doch warum klimaneutral und nicht klimapositiv? “Wenn Städte es schaffen, klimapositiv zu werden, dann ist das hervorragend und mehr als erstrebenswert”, antwortete Schreiner auf diese Frage.
Um das zu erreichen, müssen wir jedoch nicht nur über Antriebsformen sprechen, sondern auch über andere Geschäftsmodelle im Verkehrssektor. “Es ist nicht nachhaltig, eine Industrie zu haben für ein Produkt, das 96 % der Zeit stillsteht“, so Visser über die herkömmliche Automobilindustrie. Mieten statt besitzen müsse die Devise heißen. Das gelte auch für E-Mobilität, denn nicht jede Einzelperson brauche beispielsweise eine eigene Ladestation, ergänzte Braungart. “Batterien sollten als Dienstleistungen angeboten werden”, forderte er.
Dass die Menschen offen für andere Formen der Fortbewegung sind, bestätigte Mobilitätsforscher Knie. “Die Leute wollen sich bewegen, sie wollen Dinge physisch erleben, sie wollen aber nicht alles mit dem Auto machen”, sagte er. Die Fahrleistung in Deutschland sei 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 10 % gesunken, gleichzeitig verkauften Autohersteller immer mehr und vor allem schwere Autos. Hier müsse auch über die Infrastruktur gegengesteuert werden, denn der Bau von Straßen und Parkplätzen trage erheblich zur Flächenversiegelung bei.
Ein weiterer Baustein auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Mobilität ist die Verlagerung des (Güter-)Verkehrs auf die Schiene. Doch auch hier müssen wir C2C-Qualitätskriterien bei Infrastruktur und Fahrzeugbau anlegen. “Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir Züge in Zukunft so gestalten, dass sie einer Kreislaufwirtschaft zu Gute kommen, idealerweise nach Cradle to Cradle”, sagte Bahn-Vertreter Lange.
Bauwesen im Wandel
Im anschließenden Panel sprachen Mathias Oliva, Referatsleiter für kreislauf- und klimagerechtes Bauen im Bundesbauministerium (in Vertretung für die kurzfristig verhinderte Bauministerin Klara Geywitz), Andreas Engelhardt, CEO von Schüco, Dr. Peter Mösle, Partner beim Bauunternehmen Drees & Sommer, Prof. Dr. Lamia Messari-Becker, Leiterin des Department Architektur an der Universität Siegen, und Jan Schmidt, Vorsitzender der Geschäftsführung des Stahlproduzenten Peiner Träger, über die Zukunft der Baubranche. Messari-Becker betonte zu Beginn, warum C2C so wichtig für den Bausektor ist, der für rund 70 % des gesamten Ressourcenverbrauchs steht: “Wenn langfristig alle Länder wirtschaftlich wachsen wollen, dann werden wir einen massiv ansteigenden Rohstoffverbrauch haben. Die einzige Chance dagegen anzukommen, ist eine ressourcenbewusste Kreislaufwirtschaft.” Dazu müssten wir dringend weg vom Ressourcenverbrauch und hin zum Ressourcengebrauch, so Messari-Becker. Ein Praxisbeispiel dafür ist der Bauzulieferer Schüco, der vor 10 Jahren sein Geschäftsmodell umgestellt hat. “Zwei Drittel unserer Systeme sind C2C-zertifiziert. Das läuft sehr gut und die Kunden finden das toll”, berichtete CEO Engelhardt. Ein Grund dafür sei auch das Rücknahmeversprechen von Schüco: Das Unternehmen hat seinen Kunden mitgeteilt, alle Produkte, die Schüco neu auf den Markt bringt, nach der Nutzung zurückzunehmen und so die Materialien im Kreislauf zu halten.Neben Rücknahmesystemen sind digitale Tools wichtige Hebel für mehr Kreislaufwirtschaft in der Baubranche. Im Koalitionsvertrag ist die Einführung des digitalen Gebäuderessourcenpass festgehalten, der für mehr Transparenz sorgen soll. “Wir müssen die Anonymität des Abfalls aufheben”, so Mathias Oliva dazu. Das Bundesbauministerium habe die Strategie, durch Gesetze wie das Bewertungssystem nachhaltiges Bauen, das Ende 2024 eingeführt werden soll, zu einer Lebenszyklusanalyse im Baubereich zu kommen.Mehr Qualitätsansprüche in Ausschreibungen
Schmidt berichtete von den Änderungen bei Peiner Träger hin zu mehr Kreislaufwirtschaft und Materialgesundheit. Es sei wichtig, dass alle Akteur*innen im Bauwesen Ansätze wie C2C konkret anpackten. Allerdings sei bisher die Nachfrage trotz “überschaubarer Mehrkosten” gering. “Bisher werden Qualitätskriterien und Nachhaltigkeit nur sporadisch in Ausschreibungen gefordert. Das muss sich ändern”, so Schmidt. Ein großer Hebel dafür sind Ausschreibungskriterien der öffentlichen Hand. “Es ist ein großer Anreiz für die Baubranche, wenn die öffentliche Hand solche Kriterien für Kreislauffähigkeit und soziale Kriterien in Ausschreibungen festlegt”, erklärte Messari-Becker. Wie Kommunen damit umgehen können, beschreibt C2C NGO in ihren Leitfäden C2C im Bau für Kommunen und C2C für einen zukunftsfähigen kommunalen Einkauf. Das Panel fand weitere Punkte, die neben einer deutlich erhöhten Geschwindigkeit bei der Einführung konkreter Qualitätskriterien und Nachhaltigkeitsstandards in Planungsverfahren dringend notwendig sind. “Wir müssen die Gesetze abschaffen, die dagegen arbeiten. Im Kreisaufwirtschaftsgesetz ist thermische Verwertung eine offizielle Recyclingmethode – das ist doch nicht ok!”, so Mösle.Politik muss nachziehen
Das Thema Kreislaufwirtschaft spielt auch im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz eine große Rolle, machte Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, am späten Nachmittag des ersten Congress-Tages deutlich: “Der Ansatz von C2C zeigt, dass er ökonomisch erfolgreich ist und einen riesigen Beitrag zum Ressourcenschutz leistet.” Um die Themen Kreislaufwirtschaft und C2C noch stärker in der Gesetzgebung zu etablieren, erarbeitet das BMWK gerade gemeinsam mit dem federführenden Umweltministerium die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie, an deren Stakeholder-Dialog auch C2C NGO beteiligt ist. Ebenso wie bei der anstehenden Reform des Vergaberechts, die laut Kellner mit Priorität behandelt werde, da die öffentliche Vergabe und Beschaffung eine enorme Bedeutung für grüne Leitwerte habe. Er habe insgesamt den Eindruck, dass sich in der Wirtschaft bereits viel verändert habe und räumte ein, dass Zivilgesellschaft und Wirtschaft teilweise schon weiter seien als die Politik. “Die Politik muss ein Stück weit erst noch verstehen, was da gesellschaftlich und ökonomisch schon alles passiert”, sagte Kellner.Mit Kultur Transformation anstoßen
Das Abschlussformat des Freitags warf einen Blick auf das Projekt Labor Tempelhof, das 2022 von Cradle to Cradle NGO, KKT GmbH – Kikis Kleiner Tourneeservice, Loft Concerts GmbH und Side by Side Eventsupport GmbH umgesetzt wurde. Ziel war es, Konzerte von Die Ärzte und Die Toten Hosen so klima- und ressourcenpositiv wie möglich zu gestalten. “Labor Tempelhof ist eine Sache, auf die wir sehr stolz sind. Viele Festivals und Bands sind extrem interessiert daran, was wir da auf die Beine gestellt haben”, berichtete Bela B, Mitglied von Die Ärzte und Beirat von C2C NGO, der digital zugeschaltet war. Im August 2023 wurde das zugehörige Guidebook veröffentlicht. “Das Ziel ist, dass wir hier eine praktische Handreichung veröffentlichen, für alle in der Veranstaltungsbranche. Wir wollen, dass dieses Projekt nach- und besser gemacht wird”, so Isabel Gomez, Mitglied der Geschäftsleitung von C2C NGO, über das Guidebook. Gefördert wurde das Guidebook von Staatsministerin Claudia Roth, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. “Kultur und Nachhaltigkeit sind kein Widerspruch”, machte sie in ihrer Keynote deutlich. “Wir wollen, dass von eurem Projekt Labor Tempelhof als Beispiel erzählt wird. Dass die Kreativität im Kultursektor zu neuen Lösungen beitragen und ein Bewusstsein für Kreislaufwirtschaft fördern kann.” Tabea Kaplan, Geschäftsführerin und Leiterin des Bereichs Beneficial Events bei Loft Concerts kündigte an, dass die im Rahmen von Labor Tempelhof umgesetzten Maßnahmen nicht nur bei den kommenden Ärzte-Konzerten in 2024 in Tempelhof, sondern auch darüber hinaus fortgeführt werden. „Wir sehen es als Teil unserer Verantwortung, auch als Konzertveranstalter unseren Beitrag hin zu einer ökologischen Transformation der Branche zu leisten und freuen uns, dass der Flughafen Tempelhof das Thema Kreislauffähigkeit nach C2C ebenfalls für sich als Standortthema erkannt hat”, so Kaplan.