Am zweiten Tag des C2C Congress diskutierten die Speaker*innen und Teilnehmenden über den Stand von Cradle to Cradle in Deutschland und der EU. Neben diversen C2C-Beispielen aus der Praxis, blickten wir außerdem auf die Frage, wie die Übergangsphase hin zu einer Kreislaufwirtschaft nach Cradle to Cradle gestaltet werden muss. Das Programm der Hauptbühne vom zweiten Congresstag haben wir hier zusammengefasst.
Der zweite Tag des C2C Congress startete mit der europäischen Perspektive. Virginijus Sinkevičius, EU-Kommissar für Umwelt, Ozeane und Fischerei in der Europäischen Kommission, verwies in seinem Videogrußwort darauf, dass die EU-Kommission ihren Circular Economy Action Plan noch in dieser Legislaturperiode weiter vorantreiben und die dafür zentrale Ökodesign-Verordnung finalisieren möchte. “Die Philosophie hinter dem Cradle to Cradle-Ansatz deckt sich weitgehend mit diesem Aktionsplan”, sagte Sinkevičius. “Der Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft legt einen besonderen Schwerpunkt auf Produkte, und gerade hier ist Cradle to Cradle von zentraler Bedeutung für den Übergang in eine echte Kreislaufwirtschaft”, so der EU-Kommissar weiter.
Eine C2C-Strategie für Europa
Im ersten Panel des Tages diskutierten Anna Cavazzini, Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, Dr. Aurel Ciobanu-Dordea, Direktor Kreislaufwirtschaft in der Generaldirektion Umwelt in der EU-Kommission, und Elwyn Grainger-Jones, Executive Director des Cradle to Cradle Products Innovation Institute (C2C PII), darüber wie C2C auf europäischer Ebene konkret umgesetzt werden kann. Wir seien zwar auf einem guten Weg, doch es gäbe noch viel zu tun, so die Einschätzung von Ciobanu-Dordea. Die ausstehenden EU-Verordnungen zu Verpackungen und Textilien würden dabei eine entscheidende Rolle spielen. Doch nicht nur mehr Regulierungen werden zu einer EU-Kreislaufwirtschaft beitragen. “Wir müssen mehr tun, um zu erklären, warum die Kreislaufwirtschaft notwendig und nicht nur eine Vision ist”, so Ciobanu-Dordea. “Wir brauchen Vorschriften, wir brauchen aber auch Menschen, die vor Ort kämpfen, beispielsweise fortschrittliche Unternehmen, um einen sehr guten Rahmen für eine Circular Economy zu schaffen”, ergänzte Cavazzini. Dabei sei es sinnvoll, beim Design von Produkten anzusetzen und nicht nur über Recycling in der Abfallwirtschaft zu sprechen.
Was auf EU-Ebene beschlossen wird, spielt auch für das C2C PII eine große Rolle, da 70 % der Unternehmen, mit denen die Zertifizierungsstelle zusammenarbeitet, in der EU sitzen. Dabei spielt die Zusammenarbeit untereinander eine große Rolle. “Wir brauchen dieses C2C-Denken als Bewegung und nicht nur auf der Ebene von Produkten und Prozessen in Organisationen”, so Grainger-Jones. Austauschplattformen wie der C2C Congress spielten dabei eine wichtige Rolle, so der Direktor des C2C PII.
Aus der Lehre in die Breite
Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-Aufseß stellte im nächsten Programmpunkt mit zwei Studierendengruppen der TU Berlin die Ergebnisse aus dem internationalen Masterstudienkurs „Transforming our economy: Sustainable management, new business models and Cradle to Cradle“ vor. “C2C beinhaltet auch immer akademische Fragestellungen”, erklärte zu Knyphausen-Aufseß, der das Thema aus diesem Grund in seine Vorlesungen integriert. Zwei Studierendengruppen stellten anschließend Case Studies aus den Bereichen Urban Mining und Textil vor und stellten heraus, welchen Impact C2C sowohl im Bau als auch in der Textilbranche haben kann.
C2C in Transition
Cradle to Cradle ist das Ziel – doch welche Prozesse und Technologien benötigen wir in der Übergangsphase dahin? Zwei Panels versuchten auf diese Frage Antworten zu geben. Matthias Koller, Leitung der Abteilung Nachhaltigkeitsstrategien, Ressourcenschonung und Instrumente beim Umweltbundesamt sagte, dass zwar ein Umdenken in der Wirtschaft stattfinde, doch die Zeit uns davon laufe. “Transformation bedeutet, dass es ungemütlich wird. Wir müssen viele Dinge grundlegend verändern“, so Koller. Dabei sei es wichtig zu verstehen, dass Ressourcen- und Klimaschutz aneinander gekoppelt sind. Wie diese Transformation in der Praxis aussehen kann, zeigt die ZF Group. Der Kern von ZF war lange reine Antriebstechnik, mittlerweile setzt das Unternehmen auch auf Remanufacturing, Elektrifizierung und Digitalisierung, berichtete Dr. Michael Karrer, Senior Vice President Sustainability & EHS der ZF Group. “Wir wollen nicht mit bilanztechnischen Tricks vorgehen, sondern die ganze Wertschöpfungskette im Blick halten. Wir wollen aktiv mit den vielen Zulieferern zusammenarbeiten und mit digitalen Plattformen Transparenz schaffen”, so Karrer. Ein weiterer wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer C2C-Zukunft ist die Nutzung von CO₂ als Ressource. Gerade für ressourcenintensive Branchen mit hohen CO₂-Emissionen wie die Zementindustrie ist hier noch ein langer Weg zu gehen. Das gilt auch für den weltweit größten Baustoffhersteller Holcim, der sich allerdings bemüht, dies zu ändern: Der Konzern treibe die Nutzung von Carbon Capture-Technologien in den eigenen Zementwerken voran, berichtete Arne Stecher, Leiter Dekarbonisierung von Holcim Deutschland. “Wir glauben, dass es langfristig absolut Sinn macht – und das folgt auch dem C2C-Gedanken – CO₂ in die Nutzung zu bringen, in Wertschöpfungsketten, in den Kreislauf”, so Stecher.
Im zweiten Panel zum Thema Transition berichteten zwei Unternehmen aus der Praxis, die C2C bereits in ihre Geschäftsmodelle integriert haben. Denn neben Produkten und Prozessen müssen Unternehmen auch diese ändern, um zukunftsfähig zu agieren. Die Lindner Group setzt mit ihren Produkten beispielsweise auf Dienstleistungssysteme. “Unsere neuen Geschäftsmodelle kommen beim Kunden sehr gut an. Seit einem halben Jahr gibt es verschiedene Geschäftsmodelle: Entweder man mietet das Produkt bei uns und gibt es am Ende zurück. Oder man kauft ein Produkt bei uns und dann gehen wir eine Vereinbarung ein, dass wir es wieder zurücknehmen“, sagte Marcel Gröpler, Leiter Green Building bei der Lindner Group. Solche Prozessumstellungen könnten Unternehmen aber nicht alleine schaffen, man müsse alle Prozessbeteiligten ins Boot holen, ergänzte Gröpler. Doch nicht alle Zielgruppen seien bereit dafür, sagte Kerstin Hochmüller, Geschäftsführerin des Garagenantriebherstellers Marantec. Daher konzentriere sich das Unternehmen darauf, C2C stringent im Produktdesign umzusetzen: “Es ist unsere Verpflichtung, Lösungen zu finden und nichts mehr anzubieten, was nicht kreislauffähig ist”, betonte Hochmüller.
Digitalisierung und C2C
“Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft können nur gemeinsam funktionieren”, sagte Nora Sophie Griefahn, Geschäftsführende Vorständin von C2C NGO, im letzten Panel des Tages. Beides bedinge und verstärke sich gegenseitig. Digitale Tools wie Produktpässe und Materialplattformen könnten dabei helfen, Stoffströme transparent festzuhalten. Ein Beispiel dafür ist Madaster, eine Online-Plattform, auf der Gebäude und verbaute Baustoffe digital registriert und gespeichert werden können. “Wenn wir von Anfang an gut dokumentieren, was wir verbauen, können wir Produkte am Ende auch wieder verwenden”, erklärte Dr. Patrick Bergmann, Managing Director von Madaster Germany. Zirkuläres Design müsse in der gesamten Wertschöpfungskette eine Rolle spielen, um Rebound Effekte zu vermeiden, ergänzte Dr. Caroline Cassignol, Principal Key Expert Circular Material Solutions bei Siemens. Dabei könne Digitalisierung helfen. Dabei seien aber auch gesetzliche Vorgaben wichtig: “Wir müssen in Europa anfangen, Standards zu setzen, damit Firmen wissen, in welche Richtung sie laufen müssen”, so Cassignol. Der digitale Batteriepass ist dafür ein Beispiel. Bei Daten geht es allerdings immer auch um Daten Governance, also die Frage, wer Zugriff auf Daten hat. „Auch der Aspekt von Open Data gehört dazu. Wenn Produkte woanders produziert werden, zum Beispiel in Asien, ist die Dateninformation nicht dort, wo das Produkt am Ende ist”, stellte Stefan Gelbhaar MdB, Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied im Ausschuss für Digitales, fest.
Inspirierende Keynotes schließen den C2C Congress
Zum Abschluss des Tages stellten Dr. Anne Lamp, Co-Gründerin und Geschäftsführerin von traceless materials, sowie Martin Kyburz, Gründer und CEO von Kyburz Switzerland in zwei Keynotes die Ideen vor, die hinter der Gründung ihrer Unternehmen stehen.
Für Anne Lamp kam gar nichts anderes in Frage, als an einem Produkt zu arbeiten, das dem C2C-Gedanken voll und ganz entspricht. Und dafür, so sagte sie, sei auch C2C NGO mit verantwortlich, denn Lamp engagierte sich viele Jahre lang im Ehrenamt der NGO und gründete 2013 die Regionalgruppe Hamburg mit. “Was mir das Ehrenamt vor allem beigebracht hat, ist, in Kreisläufen zu denken”, so Lamp. Mit traceless materials hat sie ein Material aus Resten der Nahrungsmittelproduktion erfunden, das konventionelle Kunststoffe wie PP und PE immer dann ersetzen kann, wenn ein Produkt sehr wahrscheinlich in der Biosphäre landet. Das Material ist komplett biologisch abbaubar, da die Mikroorganismen im Boden die natürlichen Proteine erkennen und zersetzen können. Sie plädierte in ihrer Keynote vor allem für den Mut, Dinge umzusetzen. Auch sie habe gezweifelt und aus vielen Richtungen gehört, dass ihre Gründungsidee zu riskant sei. “Aber gemessen an dem Bedarf an Transformation, den wir haben, habe ich mir gesagt: Das Dümmste, was ich tun kann, ist es nicht zu versuchen”, so Lamp.
Auch Martin Kyburz hatte den Mut zur Gründung und hat sich dabei mit dem Mobilitätssektor eine Branche ausgesucht, die in Sachen Kreislaufwirtschaft noch viel Potenzial hat. Seine Elektrofahrzeuge, die unter anderem von der Schweizer Post eingesetzt werden, seien mit C2C im Hinterkopf entwickelt worden. “Wir haben erst einmal alles weggelassen, was nicht gebraucht wird. Denn was es nicht gibt, muss nicht recycelt werden”, so Kyburz. Und auch über die Kreislauffähigkeit der eingesetzten Batterien machte er sich Gedanken und fand eine Lösung. Denn das Problem des herkömmlichen Recyclings ist, dass die Batterien geschreddert werden, aus der daraus entstehenden Schwarzmasse können nicht alle Rohstoffe zurückgewonnen werden. Kyburz macht das anders: “Wir nehmen die Batterie genauso auseinander, wie sie zusammengebaut ist. Das ist das ganze Geheimnis”, so Kyburz. Dadurch erhalte er rund 91 % der verwendeten Rohstoffe wieder und könne sie wieder einsetzen. Das Verfahren habe er bewusst nicht patentieren lassen. “Ich will ja, dass das kopiert wird. Das ist der Sinn der Sache”, schloss Kyburz.